Interview mit Emidat, ein Startup, das ein Tool zur automatisierten
Erstellung von Umweltproduktdeklarationen entwickelt hat
Emidat hat das Tool „Emidat EPD“ entwickelt, mit dem Umwelteinwirkungen, die durch Baumaterialien entstehen, erfasst und verglichen werden können. Wir sprachen mit den Gründern des jungen Startups, Florian Fesch und Lisa Oberaigner, über die Vision des Unternehmens sowie die Funktionen und Möglichkeiten der Software.
Die Gründer von Emidat: Florian Fesch und Lisa Oberaigner.
Bild: Emidat
COMPUTER SPEZIAL (CS): Was ist die Vision des Unternehmens?
Lisa Oberaigner: Emidat hat zum Ziel, die durch Baumaterialien hervorgerufenen 11% globaler Treibhausgasemissionen signifikant zu verringern. Mit dem „Emidat EPD“-Tool können Umwelteinwirkungen, die durch Baumaterialien entstehen, kostengünstig und schnell erfasst, verglichen und reduziert werden. Kurz: „Emidat“ automatisiert die Erstellung von Umweltproduktdeklarationen (EPDs) für Baumaterialien. Damit bauen wir eine Produktdatenbank von momentan über 120.000 Umweltdatenpunkten auf, die über unsere API einfach zugänglich sind - Materialbeschreibung rein, Umwelteinfluss raus. Langfristig will Emidat erreichen, dass Umweltproduktdaten Teil jeder Entscheidung im Bau werden und Hersteller sich durch nachhaltige Produktion differenzieren können.
CS: Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Warum sollte sich die gesamte Baubranche darum kümmern?
Florian Fesch: Wie in der Baubranche allgemein bekannt ist, sind Immobilien für rund 39% der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Wenn sie jetzt an operative Emissionen durch Heizen, Kühlen, Elektrizität etc. denken, dann ist das nur eine Hälfte der Geschichte. Ein erheblicher Anteil der Emissionen im Lebenszyklus von Bauwerken entsteht durch die Baumaterialherstellung, den Transport und den Lebenszyklus von Materialien, sogenannte graue Emissionen. Wird wie in der Vergangenheit weiterhin nur mit Durchschnittsdaten gearbeitet, entsteht kein Wettbewerb. Denn selbst wenn Hersteller Materialien nachhaltiger produzieren, können sie das nicht nachweisen und werden dafür nicht belohnt. Aus unserer Sicht ist es dringend notwendig, produkt- und projekt-spezifische Umweltdaten für Baumaterialien zu erstellen. Erstens, weil es Kunden (Architekten, Generalunternehmen und Projektentwickler) u. a. infolge des European Green Deel zunehmend nachfragen, zweitens, weil sich Hersteller darüber differenzieren und Produkte besser verkaufen können und drittens, weil erst auf Basis dieser differenzierten Daten eine Verbesserung möglich wird.
CS: Welche Lösungen gibt es
bereits für die EPD-Analysen?
Lisa Oberaigner: Zur Erfassung, Verringerung und Kommunikation von Umweltdaten wurden in der Vergangenheit häufig externe Beratungsunternehmen beauftragt. Damit wurden dann einmalig Durchschnitts-Umweltproduktdeklarationen (EPDs) erstellt, die für die nächsten fünf Jahre als pdf-Anhang in E-Mails mitgeschickt wurden, wenn jemand danach gefragt hat.
Mit zunehmender Nachfrage nach produkt- und projekt-spezifischen EPDs, wird diese Herangehensweise als teuer, langsam und intransparent wahrgenommen. Existierende Software-Tools auf dem Markt, wie „OneClickLCA „und „Simapro“, sind häufig an Experten gerichtet und decken nur Teile des EPD-Erstellungs- und Verifizierungsprozesses ab. So ist die Lösung häufig, intern LCA-Experten anzustellen, die am Markt begrenzt verfügbar sind und firmenweit mithilfe dieser Software-Tools EPDs erstellen. Alternativ haben einzelne Hersteller auch bereits eigene vorverifizierte Tools mit IT-Beratungen erstellt, was hohe Kosten verursacht, sich aber langfristig auszahlen kann.
CS: Welche Lösung bietet Emidat?
Florian Fesch: Das vorverifizierte „Emidat EPD“-Tool erleichtert die Datenerfassung, EPD-Textgenerierung und Verifizierung mit Hilfe von KI. Der EPD-Erstellungsprozess wird soweit möglich automatisiert, was die Fehleranfälligkeit auch für Nicht-LCA-Experten deutlich reduziert. Die Software sowie der resultierende Output sind durch etablierte Programmbetreiber (Drittparteiverifizierung) wie IBU, EPD International und EPD Norge vorverifiziert, sodass kein oder nur sehr geringer Aufwand zur Erstellung verifizierter EPDs notwendig ist. Das Ziel von Emidat ist, hiermit einen skalierbaren, transparenten Prozess zu ermöglichen, der nicht je Produkt oder erstellter EPD bepreist wird, sondern je Softwarelizenz. Damit soll die Hürde zur Erstellung einzelner Produktdaten verringert werden. Zukünftig möchte Emidat auch die EPD-Erstellung für spezifische Kundenanfragen (z. B. innerhalb von Produktkonfiguratoren), vereinfachte Interaktion mit Verifizierern, sowie automatische Aktualisierung von Hintergrunddatenbanken und Normen ermöglichen.
CS: Welche politischen Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht notwendig, um die bereits beschlossenen Umweltschutzziele bei Bauprojekten besser zu berücksichtigen?
Lisa Oberaigner: Wir wünschen uns mehr politische Aufmerksamkeit auf die Erhebung und Reduzierung der Umwelteinwirkungen von Baumaterialien. Während noch ein erheblicher Anteil an Häusern energetisch saniert werden muss, sind neue Gebäude energieeffizient, und unser Elektrizitätsnetz wird mit neuen Energiequellen konstant dekarbonisiert – operative Emissionen werden also bereits unter Hochdruck adressiert. Graue Emissionen sind jedoch kaum jemandem bekannt und bekommen regulatorisch nur langsam mehr Aufmerksamkeit.Das ist nicht nur schädlich, weil wir einen wichtigen Teil der CO2-Emissionen einfach ignorieren. Das ist vor allem auch problematisch, weil graue Emissionen gleich zu Beginn des Gebäudelebenszyklus entstehen und später nicht mehr verringert werden können. Sie sind heute relevant! Zudem verursachen Baumaterialien ca. 50% des Müllaufkommens in Europa und haben einen erheblichen Einfluss auf Wasserverbrauch, Biodiversität und Giftstoffe.