Software soll Bearbeitungsprozess optimieren
Das Bauordnungsamt der Stadt Bochum erarbeitet gemeinsam mit dem Start-up VSK Software eine digitale Lösung, die Architekten und Planern eine BIM-Vorabprüfung von Bauanträgen ermöglichen soll. Das Ziel ist es, den Bearbeitungsprozess zu erleichtern und zu beschleunigen. Die COMPUTER SPEZIAL-Redaktion sprach mit der Architektin Stefanie Schneider, technische Sachbearbeitung im Bauordnungsamt der Stadt Bochum, und André Vonthron, Geschäftsführer der VSK Software GmbH, über das Projekt.
COMPUTER SPEZIAL (CS): Wie ist aktuell der Stand im Bereich Bauanträge? Welche Probleme/Herausforderungen gibt es?
Stefanie Schneider: Bislang sind bei uns Papier-Anträge Standard, diese müssen dann auch auf Papier entschieden werden. Interne Abläufe haben wir zwar bereits digitalisiert, sodass wir mit einer „Hybridmethode“ arbeiten. Wenn wir allerdings 100 % digital arbeiten würden, könnten wir den Bearbeitungsprozess weiter optimieren, indem z. B. mehrere Abteilungen gleichzeitig auf die Daten zugreifen können. Das spart Zeit und personelle Ressourcen.
CS: Wie haben Sie die benötigten Partner für eine digitale Lösung gefunden?
Stefanie Schneider: VSK Software ist ein Start-up, das sich 2021 als Ausgründung von Forschungsprojekten im Bereich der Bauinformatik der Ruhr-Universität Bochum entwickelt hat. Wir hatten hier bei uns eine Studentin, die ihre Masterarbeit zum Thema BIM geschrieben hat, so ist der Kontakt zustande gekommen.
CS: Welche Funktionen soll die Software haben bzw. welche Arbeitsprozesse sollen durch ihren Einsatz verbessert werden?
André Vonthron: Die Software ermöglicht es, dass Architekten dreidimensionale Bauwerksinformationsmodelle (BIM-Modelle) automatisiert vorprüfen und vorab Rückmeldung zu Unvollständigkeiten oder Abweichung von Bauvorschriften bekommen. Viele Architekten arbeiten auf Basis der Methode Building Information Modeling und haben solche Modelle bereits vorliegen. Gleichzeitig besteht damit die Grundlage der Einreichung von BIM-Modellen. Die Aufbereitung von 2D-Plänen ist aktuell sehr aufwändig. Die direkte Einreichung solcher Modelle kann diesen Medienbruch vermeiden und eine klare sowie eindeutige Informationsquelle bereitstellen. Im Idealfall führt das Amt nur noch eine abschließende Endkontrolle durch. Dies kann ebenfalls mit der Software auf Seiten der Behörde umgesetzt werden.
Stefanie Schneider: Genau. Wenn die Formalia bereits vor Einreichung des Bauantrags erfüllt sind, können wir uns rein auf die inhaltlich-sachliche Bearbeitung konzentrieren.
CS: Gibt es bestimmte Aspekte, die bei der Entwicklung der Software beachtet werden müssen?
André Vonthron: Die Behörde muss in die Lage versetzt werden, die Prüfregeln für alle Antragsteller unveränderbar und einheitlich vorzugeben. So wird der Nutzer dann z. B. durch Auswahl der Stadt Bochum direkt zu einem Regelsatz zur Prüfung nach der Landesbauordnung NRW sowie z.B. ergänzend zu lokalen Gegebenheiten, wie einer Stellplatzsatzung, geführt. Des Weiteren müssen Login-Verfahren wie „BundID“ als auch die datenschutztechnischen Anforderungen integriert werden.
CS: Wie wird der weitere Weg des Projekts sein?
Stefanie Schneider: Wir sind aktuell mitten in der Entwicklungsphase. Das Ziel ist, den Webservice 2024 anbieten zu können. Um das zu erreichen, müssen neben der technischen Lösung auch die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Der Gesetzgeber, in diesem Fall das Land Nordrhein-Westfalen, muss den Behörden die Verwendung des eingereichten IFC-Modells erlauben. Bislang dürfen wir das Modell nur betrachten und nicht als Bauvorlage nutzen. Darüber hinaus ist es sinnvoll, wenn IFC-Modelle genau definiert sind und es zwischen allen Beteiligten eine gemeinsame Sprachgrundlage gibt. Deswegen arbeiten wir mit VSK zusammen an einer Modellierungsrichtlinie für einheitliche Modellgrundlagen und tauschen uns beispielsweise auch mit Architekten, Verbänden, Forschung und Politik dazu aus.
CS: Das Thema „digitaler Bauantrag“ aus Ihrer jeweiligen Sicht: Sind alle Beteiligten auf einem guten Weg oder gibt es Handlungsbedarf?
André Vonthron: Die Grundlagen wurden bereits vielseitig erforscht und auch die technischen Anforderungen sind mit den heutzutage verfügbaren Mitteln umsetzbar. Nun muss beides in die bisherigen Prozesse integriert werden und vor allem die Mehrwerte klar erkennbar und nutzbar gemacht werden. Für uns gehört nicht nur die Einreichung von digitalen Dokumenten, sondern insbesondere die Nutzung digitaler Auswertbarkeit und Erhöhung der Transparenz dazu. Beides wird durch die Nutzung von BIM-Modellen stark gefördert. Auch die politischen Vorgaben werden hier Stück für Stück geschaffen. Nordrhein-Westfalen hat BIM bereits seit 2017 im Koalitionsvertrag verankert, die Bundesregierung seit 2021, um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Die Entwicklung des Produkts wird bereits vom Bauministerium Nordrhein-Westfalen durch ein Förderprojekt mitfinanziert.
Stefanie Schneider: Die Sachstände zum digitalen Bauantrag sind in den einzelnen Ländern und Behörden ganz unterschiedlich. Wir in Bochum sind auf dem Weg zu 100 % digital und sehen darin große Vorteile, weil mit BIM-Daten der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes abgebildet wird. Und wir erhoffen uns wie erwähnt eine Optimierung unserer Arbeitsprozesse, indem wir uns auf unsere Kernkompetenz im Bauamt fokussieren können – die Antragsprüfung und -genehmigung.
CS: Allgemein zur Digitalisierung des Bauwesens: Welche Entwicklungen/Schritte würden Sie sich wünschen?
André Vonthron: Die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren zur Schaffung von Wohnraum und die enorme Steigerung von Baukosten sind aktuellen die wichtigsten Themen in der Baubranche. Abhilfe kann insbesondere durch neue Technologien geschaffen werden, die Automation und Transparenz versprechen und noch mutiger eingesetzt werden sollten.
Stefanie Schneider: Wünschenswert wäre, dass alle am Bau Beteiligten ihre analogen Strukturen überdenken, hin zu digitalen Wegen und Lösungen, und dass die Zusammenarbeit und Kommunikation verstärkt werden.