Intelligentes Datenmanagement

Wie konsolidierte Gebäudedaten helfen, hohe Energiepreise zu senken und Nachhaltigkeitsauflagen zu erfüllen

Die Herausforderungen im Gebäudebereich sind groß, denn steigende Preise treffen dabei auf regulatorische Vorgaben. Intelligentes Gebäudedatenmanagement soll dabei nicht nur Nachhaltigkeitsziele unterstützen, sondern auch die Wirtschaftlichkeit erhöhen. Voraussetzung dafür sind datengetriebene Einblicke in tägliche Betriebsentscheidungen für ein nachhaltigeres Gebäudemanagement durch Automation, das bei Neubauten bereits in Planung und beim Bauprozess mitgedacht werden sollte.

Die Bauwirtschaft hat bessere Zeiten gesehen. Die Zinsen sind hoch, Rohstoffe teuer und Fachkräfte Mangelware. Gleichzeitig ist der Bedarf an neuem Wohnraum und der Sanierungs- und Modernisierungsdruck bei gewerblichen Bestandsgebäuden zur Erfüllung von Emissionsschutzanforderungen hoch. Die Baukrise trifft des Weiteren auf die Energiekrise, in der Branchen, Unternehmen und Privathaushalte mit der Preiserhöhung zu kämpfen haben. Das Statistische Bundesamt meldete für den Zeitraum September 2021 bis September 2022
durchschnittliche Preissteigerungen von 158,3 % für Strom, 192,4 % für Gas sowie 84,4 % für Heizöl (Werte über alle Abnehmergruppen hinweg) [1].

Und dann wäre da noch die Regulatorik: Das EU-Parlament stimmte am 14. März 2023 für strengere Regeln bei der Reform der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD). CO2-Steuer und eine Sanierungspflicht erlegen den Eigentümern von Nichtwohnimmobilien – in der Regel Unternehmen – absehbar weitere Kosten auf. Zwar diskutieren nationale Parlamente vor dem Hintergrund der diversen Krisen inzwischen über eine ‚Entschärfung‘ der Richtlinie. Doch das ändert nichts daran, dass die Gesamtemissionen von ca. 120 Mio. t CO2 für Wohn- und Gewerbeimmobilien bis 2030 nahezu halbiert werden sollen.

Vorteile energetischer Sanierung

Ab 2024 müssen Unternehmen zudem die EU-Richtlinie Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) [2] umsetzen – das neue deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz [3] trat bereits im Januar 2023 in Kraft. All das dürfte zur Investitionszurückhaltung beitragen. Das ist zwar nachvollziehbar, aber weder weitsichtig noch nachhaltig: Energetische Sanierungen werden staatlich gefördert [4] und gerade in Gewerbe- und Industriegebäuden können sie deutliche Einspareffekte erzielen.

Dabei sollten Unternehmen ihrer Investitionsentscheidung eine realistische Analyse von Nachhaltigkeitszielen sowie eine klare Planung voranstellen, wie sie Ergebnisse transparent und verlässlich messbar machen. Bei der Bewältigung hoher Energiepreise und angesichts des Handlungsdrucks, die CO2-Emissionen im Gebäudesektor zu senken, aber auch bei der Erfüllung von Regularien wie dem Umwelt, Soziales und Governance (ESG)-Reporting, kommt dem Gebäudedatenmanagement eine entscheidende Bedeutung zu. Datenbasierte, KI-angereicherte Einblicke sollen dabei helfen, Betrieb und Kosten zu optimieren, Abfall und Emis-
sionen zu reduzieren und die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen.

Intelligentes Gebäudedaten­management

Ein intelligentes Gebäude- und Assetmanagement bietet deshalb in mehrfacher Hinsicht echten Mehrwert und soll entscheidend dazu beitragen, Investitionen nachhaltig rentabel zu machen. Der Einsatz von digitaler Gebäudetechnologie besitze das Potenzial, bis 2030 bis zu 14,7 Mio. t CO2-
Emissionen [5] einzusparen, schätzt der Branchenverband Bitkom.

Die effizientere Bereitstellung von Heizung und Warmwassererzeugung biete dabei das größte Einsparpotenzial, weitere CO2-Minderungspotenziale ergäben sich aus dem Einsatz digitaler Technologien entlang des Lebenszyklus von Gebäuden (z. B. mit BIM). Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch eine aktuelle Deloitte-Studie, die den Energieverbrauch von Gebäuden mit intelligentem Gebäudedaten- und Lebenszyklusmanagement um 34 % geringer beziffert als den von konventionellen Gebäuden [6].

Datenkomplexität reduzieren

Trotz aller genannten Vorteile zögern Unternehmen oft bei der Umsetzung. Der Grund dafür ist häufig die hohe Datenkomplexität, denn Datenmanagement ist ein entscheidender Faktor. Um Datenströme aus allen Gewerken zusammenzubringen, aus ihnen konkrete und integrierte Erkenntnisse für ein nachhaltiges Facility Management abzuleiten und zugleich die Anforderungen des ESG-Reportings an auditierbare und transparente Daten zu erfüllen, müssen Datenströme aus verschiedenen Systemen – etwa Internet-of-Things (IoT)-Sensordaten, Zuliefererdaten und unstrukturierte Quellen wie öffentliche Informationen über aktuelle Energieträgerpreise – koordiniert werden.

Häufig liegen Daten in Silos verstreut und sind deshalb nicht ohne erheblichen Aufwand nutzbar. Unternehmen sollten dem Datenmanagement deshalb besondere Aufmerksamkeit widmen. In einem kleinteiligen Plattform-, Ökosystem- und Lösungsmarkt ist eine konsolidierte Datenumgebung die wichtigste Aufgabe auf dem Weg zu einem nachhaltigen Gebäudemanagement und erfordert fortgeschrittene Fähigkeiten im Bereich der Datenerfassung und -bereitstellung, die Unternehmen u. U. extern einkaufen müssen.

Datenlösungen für Neubau und
Bestand

Bei Bestandsgebäuden dient die Erfassung und Koordinierung von Daten z. B. der Verbesserung der Ressourcen­effizienz oder der Echtzeit-Steuerung der Raumklimatisierung. Bei Neubauten ist es von Bedeutung, die Nachhaltigkeitsauswirkungen von Konstruktion, Materialien und Betrieb über den gesamten Lebenszyklus zu betrachten – von der Planung über die Errichtung bis zur Nutzung und Instandhaltung. BIM – die digitale, vernetzte Abwicklung eines Bauprojekts auf Basis der Erfassung von Bauwerksdaten in einem digitalen Gebäudezwilling – hat das zum Ziel. Allerdings ist die Forderung nach einem einheitlichen Datenmodell für alle Gewerke aktuell noch schwierig zu erfüllen, da Planer meist mit gewerkespezifischen Modellen arbeiten. Für den Datenexport kommt oft das Datenaustauschformat Industry Foundation Classes (IFC; ISO 16739) zum Einsatz.

Datengetriebene Einblicke und operative Erkenntnisse helfen, die Dekarbonisierung im Gebäudebereich voranzutreiben, Kosten zu optimieren und regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden. Eine IBM Studie [7] von 2022 zeigt, dass das Fehlen zuverlässiger Erkenntnisse aus Daten oft die Handlungsfähigkeit von Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeitsziele behindere. Ein geeignetes Datenmanagementsystem unterstützt bei der Datenkonsolidierung und ermögliche die Arbeit mit Gebäudedaten gewerkeübergreifend und über den gesamten Lebenszyklus hinweg.

Fallbeispiel IBM GRE

IBM Global Real Estate (GRE) [8] ist verantwortlich für 50 Mio. m2 Fläche an 800 Standorten in 100 Ländern und will entsprechend Treibhausgas­emissionen, Wasserverbrauch und Abfälle maximal reduzieren. Die eigene Software zur Nachhaltigkeit liefert die Datengrundlage für tägliche Betriebsentscheidungen, um das Facility Management zu verbessern und Fortschritte bei der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen zu messen.

Das Problem war die Verteilung der Daten. Daraus ergab sich die Nutzung unterschiedlicher Tools für Evaluierung und Visualisierung, was eine ganzheitliche Darstellung erschwerte. Die Konsolidierung der Datenbasis für das Anlagen- und Assetmanagement über alle Gewerke und den gesamten Gebäude-Lebenszyklus hinweg war daher erforderlich und führte zur Implementierung der IBM „Envizi“ ESG Suite-Plattform. Sie automatisiert die Erfassung und Konsolidierung von mehr als 500 Datentypen und unterstützt international anerkannte ESG-Berichtsrahmen.

Das Ergebnis: Die Kosten für das ESG-Reporting konnten um 30 % gesenkt werden. Im Jahr 2021 verzeichnete IBM eine Emissionsrückgang von 61,6 % gegenüber dem Vergleichsjahr 2010 [9]. Datensilos wurden abgeschafft und alle Informationen sind heute über ein einziges zentrales System zugänglich. Für die erfolgreich umgesetzte Nachhaltigkeitsinitiative wurde das IBM GRE-Team im September 2022 mit dem Sheila Sheridan International Facilities Management Award ausgezeichnet.

Quellenverzeichnis zum Artikel

Das Literaturverzeichnis finden Sie online
auf COMPUTER SPEZIAL unter dem Link
www.t1p.de/CS-1-24-Lit-ID sowie dem
angefügten QR-Code.

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Beitrag in der COMPUTER SPEZIAL 1/2024

[1] https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Erzeugerpreisindex-gewerbliche-Produkte/Publikationen/Downloads-Erzeugerpreise/erzeugerpreise-2170200221094.pdf?__blob=publicationFile,...

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