BIM von A bis Z

Interview mit zwei Experten zu den Herausforderungen, den Vor-teilen und zur Umsetzung von Building Information Modeling

Prof. Dr. Reinhard Wimmer und Prof. Dr. Niels Bartels beschäftigen sich seit Jahren sowohl in Theorie als auch Praxis mit dem Thema Building Information Modeling – kurz BIM. Das vorliegende Interview gibt Einblicke in die unterschiedlichen Perspektiven und Herausforderungen, die sie in ihrer Arbeit mit BIM erlebt haben. Beide Experten betonen die Bedeutung von Standardisierung und die Notwendigkeit eines kontinuierlichen Lernprozesses, um die Vorteile von BIM in der Digitalisierung im Bauwesen voll ausschöpfen zu können.

COMPUTER SPEZIAL (CS): Prof. Wimmer, Prof. Bartels, wann kamen Sie das erste Mal mit BIM in Berührung?

Prof. Wimmer: Das war 2014, als ich einem Kommilitonen half, seine Masterarbeit zu schreiben. So erfuhr ich zum ersten Mal von der Digitalisierung von Bauprozessen. Seitdem beschäftige ich mich intensiv mit BIM. Unsere damalige Arbeitsweise war verbesserungsfähig, vor allem der althergebrachte, planbasierte Prozess und das asynchrone Arbeiten aller Projektbeteiligten. Als ich sah, welche Möglichkeiten ein BIM-Modell eröffnet, wurde mir klar, wie gut man alles zentralisieren kann. Das war der Beginn meiner Begeisterung, auch wenn sich später herausstellte, dass der Teufel im Detail steckt. Heute gebe ich mein Wissen an die Studierenden der Hochschule Karlsruhe weiter und bin nach wie vor fasziniert von BIM, auch wenn die Praxis oft herausfordernd ist.

Prof. Bartels: Ich kam auch 2014 mit BIM in Kontakt, als ich in ein Thema für meine Masterarbeit gesucht habe. Damals habe ich die Auswirkungen auf das Projektmanagement betrachtet. Die Einführung von BIM bedeutete eine radikale Umstellung unserer bisherigen Arbeitsweise. Danach hat mich das Thema gefesselt und ich habe es dann auch in meiner Promotion weiter aufgegriffen.

CS: Was macht für Sie die Bedeutung von BIM aus?

Prof. Wimmer: In einem Wort: Nähe. Alle arbeiten viel näher zusammen. BIM-Modelle machen es wesentlich einfacher, alle Informationen intuitiv zu verstehen. Das Wichtigste für mich ist, dass man im BIM-Modell die Informationen an zentraler Stelle gestalten kann, ohne alles im Modell enthalten haben zu müssen. Man spricht gerne von der „Single Source of Truth“, was korrekt ist, wenn das BIM-Modell als Datendrehscheibe verstanden wird.

Prof. Bartels: Für mich liegt die Bedeutung von BIM in der Effizienz und Transparenz. Durch die Zentralisierung aller Informationen in einem Modell können wir effizienter planen und bauen. Jeder Beteiligte hat Zugriff auf die gleichen Daten, was Fehler und Missverständnisse minimiert. Außerdem ermöglicht BIM eine bessere Visualisierung und damit eine klarere Kommunikation.

CS: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für eine flächendeckende Umsetzung von BIM?

Prof. Wimmer: Die größte Herausforderung ist das Umdenken in den Köpfen der Menschen. Die Akteure müssen aus ihrer Komfortzone heraus und die Vorteile der neuen Methode erkennen. Welche enormen Vorteile die Digitalisierung bereits mit sich gebracht hat, zeigt z. B. „Google Maps“, das viel mehr als ein Navigationssystem bietet. Hier sind Daten verschiedenster Arten mit vorhanden, die die Nutzer direkt informieren und weiter im Netz verbinden. Doch zurück zum Bauwesen:  Planbasiertes Arbeiten funktioniert, aber modellbasiertes Arbeiten ist wesentlich effizienter. Der Transformationsprozess in den Köpfen ist jedoch das Schwierigste.

Prof. Bartels: Die Akzeptanz ist eine große Herausforderung, besonders bei erfahrenen Ingenieuren, die an traditionellen Arbeitsweisen festhalten. Junge Teams sind häufig technikaffiner und experimentierfreudiger, ihnen fehlt aber
oft die Praxis. Es braucht viel Geduld und ständige Weiterbildung, um beide Gruppen zusammenzubringen und Schritt für Schritt Veränderungen umzusetzen. Das sehen wir auch in unseren BIM-Modulen an der Hochschule und Fortbildungen, die wir durchführen.

CS: Wie erklären Sie sich die niedrige Durchdringung mit BIM in der D-A-CH-Region?

Prof. Wimmer: In der D-A-CH-Region planen wir sehr detailliert und wollen böse Überraschungen auf der Baustelle vermeiden. International gibt es dominierende Software, während wir hier viele unterschiedliche Tools nutzen, die oft nicht interoperabel sind. Der Prozess der Schnittstellenetablierung ist zeitaufwendig, aber notwendig.

Prof. Bartels: Ein weiteres Problem ist die Komplexität des deutschen Marktes mit vielen Beteiligten und speziellen Anforderungen. Internationale Märkte haben oft weniger komplexe Strukturen, was die Einführung von BIM erleichtert. Die Vielzahl an Tools und die detaillierte Planung in Deutschland machen den Prozess komplizierter.

CS: Wie verhält sich die Anwendung von BIM im Vergleich zwischen Planung und Bau?

Prof. Wimmer: Die Planung ist definitiv weiter fortgeschritten, da Planer häufiger vor dem Rechner sitzen. Auf der Baustelle hingegen muss der Bauleiter noch oft mit Plänen arbeiten. Die Schulung und Zeit für die Einführung von BIM auf der Baustelle sind entscheidend.

Prof. Bartels: Und im Facility Management kommen dann noch einmal weniger Daten an, vor allem die Fortführung zu einem As-Built-Modell ist eine große Herausforderung. Augmented Reality könnte in Zukunft eine große Hilfe für das Facility Management sein, aber dafür brauchen wir Informationen.

CS: Kennen Sie Projekte, bei denen die BIM-Methode konsequent über den gesamten Bau- und Lebenszyklus eines Gebäudes umgesetzt wird?

Prof. Wimmer: Bei der TMM Group – ein Unternehmen mit rund 200 Beschäftigten für integrale TGA-Planung – haben wir Projekte sowohl während der Planung als auch nachträglich digitalisiert. Besonders erfolgreich waren Projekte, bei denen das BIM-Modell am Ende der Bauzeit erstellt und für den Betrieb des Gebäudes genutzt wurde.

Prof. Bartels: Projekte, die von Anfang an mit BIM geplant und umgesetzt wurden, zeigen einen hohen Effizienzgrad und bessere Kommunikation. Besonders die nachträgliche Digitalisierung für den Betrieb des Gebäudes hat sich als sehr vorteilhaft erwiesen.

CS: Welche Erfahrungen haben Sie in komplett mit der BIM-Methode durchgeführten Bauprojekten bisher gemacht?

Prof. Wimmer: Wir haben einen hohen Effizienzgrad erreicht, insbesondere durch die Zentralisierung des Wissens. Die Kommunikation und Kollaboration wurden erheblich verbessert, und wir haben keine Pläne mehr erstellt, sondern ausschließlich modellbasiert gearbeitet.

Prof. Bartels: Die Projekte liefen effizienter und die Zusammenarbeit war deutlich besser. Besonders die Reduktion des manuellen Aufwands durch modellbasierte Kommunikation hat sich als großer Vorteil erwiesen.

CS: Haben Sie ein Beispiel für den erreichten Effizienzgrad?

Prof. Wimmer: In einem Bauprojekt mit etwa 5.000 m² Fläche und viel TGA konnte durch ein spezielles Tool die Zeit für die Schlitz- und Durchbruchsplanung von drei Monaten auf eine Woche reduziert werden. Vorausgesetzt, die Software funktioniert reibungslos, ist das ein immenser Effizienzgewinn.

Prof. Bartels: Die Verwendung von spezialisierten Tools zur automatisierten Planung und Überprüfung hat die Effizienz deutlich gesteigert und den Planungsprozess erheblich verkürzt.

CS: Wo sehen Sie den größten Unterschied in der Entwicklung, von der 3D-Planung hin zu BIM?

Prof. Bartels: BIM bietet nicht nur eine dreidimensionale Darstellung, sondern integriert auch alle relevanten Informationen zu den Bauteilen. Diese Kombination aus Geometrie und Daten macht den großen Unterschied und ermöglicht eine effizientere und genauere Planung und Ausführung.

Prof. Wimmer: Der wesentliche Unterschied liegt in der enthaltenen Information. Bei BIM „weiß“ jedes Objekt, was es ist und welche Informationen daran hängen. Diese zusätzlichen Daten ermöglichen umfassende Analysen und Optimierungen, die mit reinen 3D-Modellen nicht möglich sind.

CS: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Prof. Wimmer: Ein einheitlicher Standard wäre wünschenswert, um die Arbeit an den Schnittstellen zu erleichtern. In unseren gemeinsamen Projekten zwischen der Hochschule Karlsruhe und der TH Köln hat gezeigt, dass fehlende Standards einer der Hauptgründe für Schwierigkeiten mit der BIM-Methodik sind.

Prof. Bartels: Dem stimme ich zu. Außerdem wünsche ich mir mehr Offenheit gegenüber dem Thema und das Ausprobieren neuer Methoden. Wir sind an vielen Punkten zu verkopft und wollen alles vorab durchdenken, müssen aber auch einfach mal ins Doing kommen.

Im Interview

Prof. Dr.-Ing. Niels Bartels, Technische Hochschule Köln

Niels Bartels studierte berufsbegleitend an der DHBW Stuttgart sowie der Universität Wuppertal und promovierte am Institut für Baubetriebswesen der TU Dresden zum Thema „Strukturmodell zum Datenaustausch im Facility Management“. Er arbeitete u. a. als Innovationsmanager bei der Goldbeck GmbH und war dort verantwortlich für Smart Building sowie Projekte zur Digitalisierung des Bauens und zur Systematisierung der TGA. Im August 2022 folgte er dem Ruf der Technischen Hochschule Köln und verantwortet dort das Lehr- und Forschungsgebiet Digitales Planen und Bauen.

Prof. Dr.-Ing. Reinhard Wimmer, Hochschule Karlsruhe

Reinhard Wimmer studierte an der RWTH Aachen University Wirtschaftsingenieurwesen Fachrichtung Bauingenieurwesen und promovierte am Lehrstuhl E3D zum Thema „BIM-Informationsmanagement bei der thermisch-energetischen Simulation von gebäudetechnischen Anlagen“. Nach seine Promotionszeit arbeitete er als BIM-Manager und Abteilungsleiter für Forschung und Entwicklung bei der TMM Group Gesamtplanungs GmbH und verantwortete die digitale Transformation der gesamten Bauprozesse. Im März 2022 folgte er dem Ruf der Hochschule Karlsruhe und hat nun die Querschnittsprofessur für digitales Planen und Bauen inne.

Fünfteilige Artikelserie – BIM von A bis Z etablieren, inklusive „Tuning“-Maßnahmen

Passend zum Thema wurde in der Fachzeitschrift tab unlängst eine fünfteilige Artikelserie „BIM von A bis Z etablieren, inklusive ‚Tuning‘-Maßnahmen“ aufgezeigt, die wir Ihnen an dieser Stelle digital vollständig zur Verfügung stellen. Die Autoren, Prof. Bartels und Prof. Wimmer, möchten damit einen Beitrag dazu leisten, BIM in die praktische Umsetzung zu etablieren. Sie berichten aus Ihren Erfahrungen und machen auf Fallstricke bei der BIM-Umsetzung aufmerksam. Hierbei liegt der Fokus zur Anwendung der BIM-Methode explizit auf der Umsetzung in der Fachplanung der TGA, da sich insbesondere in diesem Bereich gezeigt hat, dass aufgrund des hohen Anspruchs, leistbarer Umfang und Wirklichkeit deutlich auseinander liegen. Die Artikelserie ist unterteilt in:
• Auftraggeber-Informations-Anforderungen und BIM-Abwicklungsplan: www.t1p.de/CS-2-24-BIM-1 • Prozessmodellierung und BIM-Rollen: www.t1p.de/CS-2-24-BIM-2
• Verknüpfung zwischen BIM und Nachhaltigkeit: www.t1p.de/CS-2-24-BIM-3 • Schnittstelle zum Facility Management: www.t1p.de/CS-2-24-BIM-4 • Zukünftige BIM-Entwicklungen: www.t1p.de/CS-2-24-BIM-5 Wenn Sie Fragen oder Anmerkungen haben, bzw. sich zum Thema austauschen möchten, stehen Ihnen die Autoren gerne zur Verfügung. Schreiben Sie dazu unter: .

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