Integrale BIM-Planung für Strahlenklinikum Stuttgart
Mit einer BIM-Ausführungsplanung in der Leistungsphase 5 entsteht zurzeit auf dem Gelände des Klinikums Stuttgart das sogenannte Stuttgart Cancer Center – Tumorzentrum Eva Mayr-Stihl – kurz SCC. Die zuständigen Architekten sind dazu mit der BIM-Gesamtkoordination beauftragt. Zum Einsatz kommt die BIM-Software „Allplan“ sowie „Bimplus“ für die Zusammenarbeit zwischen den Baubeteiligten.
BIM etabliert sich im Bauprozess. Das zeigt sich deutlich, denn immer mehr Projekte werden mit der digitalen Planungsmethode realisiert. Dabei geht es nicht mehr darum, ab welcher Projektgröße sich der Einsatz lohnt. Modellbasiert zu planen, kann sich selbst für ein Einfamilienhaus lohnen. Z. B. dann, wenn mit hohem Vorfertigungsgrad gebaut werden soll. Zudem gibt es Bauaufgaben, bei denen BIM kaum mehr wegzudenken ist. So können hochtechnisierte Gebäude wie Krankenhäuser oder Spezialkliniken vom digitalen Modell profitieren: Komplexe Fachplanungen lassen sich umfassend einbinden, abgestimmt koordinieren und Planungsfehler so minimieren. Das entwerfende Architekturbüro wird damit wieder zum wesentlichen Projektsteuerer in der Planung wie im Bauprozess.
Visualisierung des Strahlenklinikums Stuttgart.
Bild: SWECO
Herausfordernde Bauaufgabe Klinikneubau
Für das Architekturbüro Schmidt Plöcker ist das Projekt keineswegs das erste BIM-Projekt, aber dennoch ein außergewöhnliches. Die neue Strahlenklinik stellt hohe Anforderungen an die Architektinnen und Architekten, die Fachplanungsbüros und das Stuttgarter Generalunternehmen Gustav Epple. So ist die logistische Situation vor Ort herausfordernd, denn parallel zu dem entstehenden Neubau gibt es auf dem Gelände weitere Klinikbauten, die mit Behandlungen und Operationen während der gesamten Bauphase fortfahren. Baulärm, Staub und Behinderungen durch Baufahrzeuge sind daher möglichst gering zu halten. Hinzu kommt eine umfangreiche Technikplanung im Vorfeld: Neben einer Tagesklinik, Patienten- und Behandlungszimmern, den notwendigen Büros und Lagerräumen, werden im Gebäude G bis 2024 zahlreiche Speziallabore sowie besonders geschützte Strahlenräume entstehen. Hierfür koordiniert das Architekturbüro auch Fachplanungsbereiche, die noch nicht modellbasiert arbeiten bzw. ihre Fachmodelle nicht in das Koordinationsmodell einarbeiten. Vor diesem Hintergrund sind die wöchentlichen Koordinationssitzungen mit den verschiedenen Planungsbeteiligten, in denen Fachplanung und Architekturplanung abgeglichen werden, elementar.
Neumodellierung nach anspruchsvollen Vorgaben
Für die Entwurfsplanung bis zur Baugenehmigung waren sweco architects beauftragt. Mit dem Wechsel in die Leistungsphase 5 wurden dann Schmidt Plöcker Architekten direkt vom Generalunternehmen ins Boot geholt. Sie modellierten auf der Grundlage der genehmigten Pläne das komplette Gebäude neu. Die notwendige Zeit hierfür – von vier bis sechs Wochen, je nach Projektgröße – musste eingeplant werden. Alexander Dill, Projektleiter und Partner bei Schmidt Plöcker Architekten erläutert, warum die Nachmodellierung bei den meisten Projekten notwendig ist: „Wir haben ein Modell aus der Leistungsphase 3 übernommen, stellten aber fest, dass die Attribuierung fehlte. Um Sicherheit zu haben und die notwendige Qualität zu gewährleisten, modellierten wir nach eigenen Projektvorgaben und Modellierungsrichtlinien in unserer BIM-Software nach. Mit dem in 'Allplan' erstellten Modell konnten wir anschließend effizient mit den verschiedenen Fachdisziplinen zusammenarbeiten. Für das TGA-Fachplanungsbüro beispielsweise ist es enorm wichtig, ein attribuiertes Gesamtmodell zu erhalten. So kann dieses seine Fachplanung durchgehend und für das ganze Gebäude umsetzen.“
BIM als wesentlicher Planungsansatz
Die eingebundenen Projektpartner trafen sich mit dem Start der Ausführungsplanung zu mehreren BIM-Workshops. Hier wurde abgefragt, welche der Fachplanungsbüros modellbasiert arbeiten und in die Koordination eingebunden werden können, welche Austauschstandards gelten und welche Modellinhalte transportiert werden sollen. Dazu entwickelte Schmidt Plöcker Architekten einen BIM-Abwicklungsplan (BAP). Das Klinikum ist ein Open-BIM-Projekt. Das heißt, zentrales modellbasiertes Austauschformat ist IFC. Für die Koordinierung und den Austausch von Aufgaben, z. B. wenn ein Deckendurchbruch oder eine Rohrführung nicht passt, kam das Kommunikationsformat BCF zum Einsatz: Problempunkte lassen sich anhand sog. „Model View Points“ eindeutig im Modell verorten, anschauen, kommentieren und anschließend in der Fachplanung korrigieren. Der Austausch via IFC mit den Fachplanungen erfolgte bei der Strahlenklinik über „Dalux“, Kollaborations-Tool war „Bimplus“. Die cloudbasierte Plattform nutzte die eingebundenen Fachplanungsbüros für die Gebäudetechnik sowie das Tragwerksplanungsbüro. Stefanie Grolik, bei Schmidt Plöcker Achitekten verantwortlich für die BIM-Koordination und das Qualitätsmanagement: „Weitere Fachplanungen wie Strahlenschutz oder die Bauphysik konnten wir ins Modell überführen, indem wir die Daten selbst eingepflegt haben. Als zentrales und cloudbasiertes Kollaborations-Tool haben wir ‚Bimplus‘ gewählt. Wir konnten für unser Architekturmodell mit anderen Plattformen, beispielsweise zur Bearbeitung von Raumbüchern, IFC verwenden. Diese Schnittstelle ermöglichte es, die Eingabe der notwendigen Eigenschaften bidirektional zu verwalten.“
Flexible Prozesse in jedem Projekt
Die Prozesse sind wie bei jedem konventionellen, ohne BIM geplanten Projekt, niemals statisch und identisch. Sie entwickelten sich aus den Ergebnissen der verschiedenen BIM-Workshops. Bei dem Klinikneubau gab es konkrete Vorgaben. So ist dem Architekturbüro eine umfangreiche Attributeliste übergeben worden, die in die Modellierung eingebunden werden sollte. Gemeinsam mit dem Generalunternehmer wurde dann abgeklärt, welche der Attribute in die Modellierung mit der BIM-Software „Allplan“ einfließen. Für die Koordinierung der Fachplanungen und den Abgleich im Koordinationsmodell sowie das interne Qualitätsmanagement kam „Solibri“ zum Einsatz. Darüber hinaus sind verschiedene Tools für die Übersetzung des BIM-Modells in die Virtual Reality und ein nativer IFC-Viewer zur Überprüfung von IFC-Files genutzt worden.
Projektanlage in „Bimplus“ zur Anbindung externer Fachplaner.
Bild: Schmidt Plöcker Architekten
Koordinationsmodell als Fundament der Planung
Auch wenn die Prüfsoftware „Solibri“ ein wichtiges Werkzeug in der Planung von Schmidt Plöcker Architekten ist, war von vornherein klar: Jeder Projektbeteiligte sollte das Modell verstehen und damit arbeiten können. Das Koordinationsmodell für die integrale Planung war hierfür das grundlegende Fundament; die Basis eine hohe Qualität der Modellierung durch das Projektteam der Strahlenklinik. Öner Tiryaki, BIM-Gesamtkoordinator beim Strahlenklinikum Stuttgart: „Unser Koordinationsmodell ließ sich problemlos aus ‚Allplan‘ ableiten. Wir haben es stetig weiterentwickelt. Wichtig war vor allem der Abgleich zwischen dem Tragwerksmodell und dem Architekturmodell. Die ‚Provision for Voids‘, die Durchbrüche, wurden hierbei mit unserem Modell verschnitten. Bevor der Schalplan also abschließend geprüft wurde, konnten wir bereits darauf hinweisen, dass es Abweichungen gab.“ Und er führt fort: „Die vollumfängliche Integration der Fachmodelle ermöglichte allen Beteiligten eine transparente, interdisziplinäre Kollaboration sowie Kommunikation.“
Fazit
Der Zeitplan beim Strahlenklinikum Stuttgart ist knapp bemessen und das Planungspensum hoch. Alle vier Wochen musste eine Etage abgeschlossen werden. Doch die enge Zusammenarbeit, die die Planungsbeteiligten über die Zeit unter Beweis stellen konnten, gab Vertrauen in den anderen. Selbst eine Nachkoordinierung, die sich über den Planungsverlauf ergab, trübte weder die positive Stimmung beim ausführenden Architekturbüro noch bei den Fachplanungsbüros oder dem Generalplaner. Schmidt Plöcker erkennen hier einen weiteren Vorteil der Planungsmethode BIM: Kommunikation auf Augenhöhe und eine spürbar gewachsene Offenheit im Umgang miteinander. Wünschenswert wäre dennoch, dass bei Folgeprojekten in den nächsten Jahren noch weitere Fachplanungen die Vorteile der BIM-Planung erkennen und so eine übergreifende, integrale Planung weiter vorantreiben. Denn der größtmögliche Nutzen jedes BIM-Projekts entsteht dann, wenn alle Beteiligten die BIM-Methode konsequent anwenden.