Innovativer Planungsansatz mit BIM und Partnering-Modell

Digitalisierte dezentrale Kollaboration

Die Digitalisierung im Bauwesen schreitet mit BIM als zentraler Methode kontinuierlich voran. Am Beispiel des neuen Hilti Innovationszentrums zeigt sich, wie BIM die Planung, Koordination und Umsetzung komplexer Bauprojekte effizienter und transparenter gestalten kann. Das Projekt wurde in einem Partnering-Modell realisiert, das durch enge Zusammenarbeit und digitale Prozesse sowohl Kosten als auch Risiken minimierte.

Die Digitalisierung mit Building Information Modelling (BIM) ist nicht nur ein methodischer Ansatz, sondern ein ganzheitliches System, das mit modellbasierter Planungs- und Umsetzungsunterstützung ganz neue Dimensionen für Effizienz und Transparenz im Baugewerbe ermöglicht. Deshalb wurde auch das Innovationszentrum für Brandschutz und Verbunddübel von Hilti in Kaufering bei München, das nach zweieinhalb Jahren Bauzeit im Oktober 2023 eröffnet wurde, durchgängig mit BIM geplant und realisiert. In einem Partnering-Modell wurde dieses Projekt unter der Projektleitung des internationalen Beratungs- und Planungsunternehmens Carpus+Partner AG gebaut. Beteiligt waren zudem die seit 25 Jahren auf Digitalisierungsdienstleistungen für Architekten, Bauherren und Ingenieure spezialisierte Schwestergesellschaft Formitas AG sowie Berater von Hilti.

Das Ziel war, die Forschungsaktivitäten des Bautechnologiekonzerns zu stärken und seine Innovationskapazität langfristig zu steigern. Dazu sollte ein interdisziplinäres und äußerst flexibles Forschungs- und Entwicklungszentrum geschaffen werden, das alle Forschungs-, Entwicklungs- und Test-Bereiche für die Verbunddübel- und Brandschutzentwicklung von Hilti in einem Gebäude zusammenfasst. Das hybride Nutzungskonzept vernetzt Testfelder direkt mit Entwicklungs-, Verwaltungs- und Laborbereichen, was die Effizienz und Produktivität der Forschungsbereiche erheblich steigern sowie Zeit und Aufwände sparen soll.

Dezentrale Planung

Es galt, die Zusammenarbeit und den Wissensaustausch zwischen den Mitarbeitern zu fördern und die vielfältigen sowie technisch teils hochkomplexen Arbeitsanforderungen in Büros, Laboren und Testfeldern optimal zu erfüllen. Ausgangspunkt für die gesamte Planung war ein umfassender Change Prozess, den die Carpus+Partner AG mit Hilti 2018 initiiert haben, um die neue Arbeitswelt des Unternehmens gemeinsam zu entwickeln. Die zukünftigen Nutzer des Gebäudes ­konnten ihre Anforderungen, Wünsche und Ideen einbringen und ihre spezifischen Bedürfnisse formulieren. Im Ergebnis wurde so eine neue visionäre Arbeitswelt im Human Centered Design (Anwender stehen mit ihren Bedürfnissen und Erwartungen im Mittelpunkt) kreiert. Mithilfe der BIM-Methodik wurden im nächsten Schritt unter der Leitung der Formitas AG die BIM-Ziele definiert und in Form eines umfassenden Anforderungsdokuments zusammengefasst, was die Basis für den weiteren BIM-gestützten Planungs- und Realisierungsprozess bildete. Eine Herausforderung war zudem, dass das interdisziplinäre Planungsteam – bestehend aus den unterschiedlichen Fachexperten der beteiligten Projektpartner – über verschiedene Standorte in ganz Deutschland und der Schweiz verteilt war.

Partizipation, Kollaboration und Effizienz

Digitales Bauen mit der BIM-Methodik eröffnet vielfältige Möglichkeiten in der Planung, beim Bau und dem späteren Betrieb von Gebäuden. Das größte Potenzial liegt dabei zum einen in der ganzheitlichen Betrachtung und Visualisierung von Bauprojekten über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg. Zum anderen ist es für alle Beteiligten möglich, auf einer digitalen Plattform kollaborativ in allen Bauphasen zusammenzuarbeiten. Insbesondere bei der Entwicklung innovationsfördernder Arbeitsumgebungen bietet die BIM-Methodik viele Vorteile. Sie unterstützt bei der Gestaltung eines partizipativen Kreativprozesses, der bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt durch anschauliche 3D-Modellierungen die zukünftigen Nutzer und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt. Zudem tragen die Automatisierung und Effizienz in der Bedarfsplanung sowie die Minimierung von Schnittstellen und möglichen Kollisionen in und zwischen den verschiedenen Leistungsphasen zu einer erheblichen Verbesserung und Verschlankung des Planungsprozesses bei.

Das modellbasierte Arbeiten mit BIM bietet neben Effizienzgewinn und Arbeitserleichterung für alle Beteiligten noch zahlreiche weitere Vorteile. Im Hilti-Projekt galt es, eine Vielzahl von internen und externen Experten zu koordinieren. Dabei haben die beteiligten Planungsteams sowie die zuliefernden und ausführenden Firmen gleichzeitig in bis zu 42 Teil- bzw. Fachmodellen für die unterschiedlichen Gewerke und Abschnitte gearbeitet. Diese Teilmodelle wurden einmal wöchentlich zentral in einem digitalen Zwilling konsolidiert zusammengeführt. Dieser diente als Grundlage für die Projektsteuerung und in den regelmäßigen Projekt­meetings für einen offenen Austausch zu Status, Fortschritt und Optimierung zwischen den Projektpartnern. Die vollständig digitale und mehrdimensionale Sicht auf den gesamten Gebäudeentstehungsprozess machte bei der Zusammenführung der Einzelplanungen vor allem an den Übergängen und Übergabepunkten zwischen den Gewerken etwaige Kollisionen und Unstimmigkeiten transparent. Das half, bereits im Vorfeld der eigentlichen Bauphase teure, später nur aufwändig zu korrigierende Fehler sowie mögliche Risiken zu identifizieren und mithilfe des in die Software integrierten Issue Managements zu lösen.

Von Closed- zu Open-BIM

Für den Einsatz von BIM im Hilti Projekt waren zunächst der Aufbau und Rollout einer entsprechenden IT-Infrastruktur mit einer leistungsfähigen Serverlandschaft und entsprechender Network Connectivity notwendig, die den gleichzeitigen, sicheren und dezentralen Zugriff mehrerer Teams auf die zahlreichen datenintensiven Planungsmodelle erlaubte. Das Projekt wurde zu Beginn als „Closed BIM Project“ mit der Autorensoftware Autodesk „Revit BIM“ in der Autodesk „Construction Cloud“ aufgesetzt, was für die benötigten Sicherheits- und Datenschutzlevels sowie eine entsprechende Performance sorgen sollte. Dabei arbeiteten alle Projektbeteiligten nach einer Schulung durch die Formitas AG mit derselben Software auf einer dedizierten Infrastruktur. Im späteren Verlauf machte es das Hinzukommen externer Lieferanten und Baupartner notwendig, die Infrastruktur für ein „Open BIM Project“ zu öffnen, in dem verschiedene Softwarevarianten und standardisierte Datenformate für den Austausch zum Einsatz kamen.

Partnering-Modell – Gemeinsame Kultur und Werte

Wesentliche Bereiche der Bauvertragsgestaltung und -abwicklung wurden von Hilti und Carpus+Partner beim Neubau des Innovationszentrums im Partnering-Modell gestaltet. Partnering ist eine innovative Organisations- und Vertragsform, die zu einer konstruktiven und lösungsorientierten Projektabwicklung führt und Mehrwert sowohl für das Bauvorhaben als auch für die Projektbeteiligten schafft. Das setzt einen vertrauensvollen Umgang der beteiligten Partner miteinander voraus. Ein wichtiger Baustein im Partnering-Modell war der Einsatz eines Last-Planer-Systems in der Planungs- und Realisierungsphase. Dieses System ermöglichte allen Projektbeteiligten eine zuverlässige und vorhersehbare Projektplanung, förderte einen nahtlosen Arbeitsablauf in sämtlichen Projektphasen und stärkte die Zusammenarbeit sowie das Vertrauen innerhalb des Teams. Durch regelmäßige Lean-Besprechungen wurden die bevorstehenden Aufgaben der kommenden sechs Wochen präzise geplant. Eine kontinuierliche Ausrichtung auf gemeinsame Projektziele erfolgte durch die Lean-Methodik, die eng mit der kollaborativen Zusammenarbeit auf Augenhöhe im Partnering-Modell verknüpft war und auf verbindlichen Vereinbarungen sowie gegenseitigem Vertrauen basierte.

Fazit

Die erfolgreiche Umsetzung der Hilti Vision von einem Innovationszentrum, das höchste technische Anforderungen mit modernsten Arbeitswelten integriert, beruhte zum einen auf der Digitalisierung des gesamten Bauvorhabens und dem konsequenten Einsatz von BIM als integrierte und vernetzte Planungsmethode in jeder Entstehungsphase. Durch die modellbasierte Lösungsentwicklung standen alle wichtigen Daten und Informationen jederzeit transparent in 3D-Visualisierung zur Verfügung. Auch Änderungen konnten viel flexibler durch die frühzeitige Modellierung und Bewertung möglicher Konsequenzen im Projektverlauf berücksichtigt werden. BIM ist damit eine hocheffiziente Methodik, Bauprojekte digital sowie kosten- und terminoptimiert zu steuern. Zudem konnten durch den Partnering-Ansatz die Vorteile einer innovativen Projektstruktur mit der Einbindung aller Projektbeteiligten in den Planungs- und Realisierungsprozess genutzt werden. Gemeinsame Werte, Partnerschaftlichkeit, Transparenz, Fehlerkultur und Offenheit waren dabei die Basis.

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