Gestreamt aus Gießen in die Welt

Kongress Infrastruktur digital planen und bauen 4.0

Der siebte Kongress „Infrastruktur digital planen und bauen 4.0“ fand coronabedingt am 15. und 16. September 2020 in kleinerem Umfang als gewohnt und zudem als hybrider Kongress statt. Neben einer kleinen Anzahl Personen vor Ort, darunter auch einige Referenten, fand die Mehrzahl der Gäste online zum von der THM in Gießen in Kooperation mit dem 5D Institut und der Deutschen Bahn durchgeführten Kongress unter dem Schlagwort „BIM wird Baualltag“ zusammen.

Dabei gelang es den Veranstaltern sehr gut, den Kongress in die digitale Welt zu überführen. Prof. Dr.-Ing. Jens Minnert, Dekan Fachbereich Bauwesen THM, bemerkte dazu: „Im Bausektor gehört Spontanität zum Alltag. Das können wir.“ Und Prof. Dr. ­Matthias Willems, Präsident THM, stellte fest: „Für einen BIM-Kongress zum digitalen Planen und Bauen ist das ein spannendes Format.“

In zwei Tagen fanden sich vor Ort gehaltene und ins Internet übertragene Vorträge sowie zugeschaltete Referenten aus dem In- und Ausland zu einem spannenden Informationsreigen zusammen.

So sprachen Fregattenkapitän ­Tobias Voß und Dipl.-Wirt.-Ing. Andreas Hüsken zum cloudbasierten Gebäudemanagement mit BIM bei der Bundeswehr. Diese gehört mit 1.500 Liegenschaften, 33.000 Gebäuden und 2.600 km² Fläche zu den großen Liegenschaftsbetreibern im Land. Die Bundeswehr ist dabei eine zentrale Kollaborationsplattform für alle am Lebenszyklus beteiligten Partner einzuführen und digital erzeugte Daten im Betrieb nutzbar zu machen. Dabei werden Cloudlösungen auf Servern des Bundes mit allen notwendigen Sicherheitsaspekten genutzt. Zugleich wird Wert darauf gelegt, offene Anbindungen zur Verfügung zu stellen, so dass auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) als Projektpartner eingebunden werden können. Erste Pilotmaßnahmen werden bereits erfolgreich durchgeführt.

Die Nutzung eines virtuellen Projekt­raums (Common Data Environment = CDE) stand auch bei den folgenden Vorträgen immer wieder im Mittelpunkt. So referierte Martin Hinz über die „Digitalisierung der Antrags- und Genehmigungsverfahren zwischen Eisenbahn-Bundesamt (als Genehmigungsbehörde) und Deutsche Bahn AG“. Bis 2022 sollen ein Testbetrieb mit Pilotprojekten durchgeführt sowie der digitale Datenaustausch und Genehmigungsablauf implementiert werden. Allerdings, so wurde kritisch angemerkt, müssten, um künftig auf 2D-Pläne komplett verzichten zu können, Gesetze und interne Verordnungen noch geändert werden.

Dr. Katja Hüske, Leiterin Management Großprojekte DB Netz AG, gab einen Überblick über den aktuellen Stand der BIM-Implementierung bei der Deutschen Bahn AG und berichtete, dass die Deutsche Bahn bis Ende 2020 BIM-ready sei. Das Thema Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA), also die Zusammenfassung der wesentlichen Anforderungen an Planer und andere Projektpartner in Projekten, sei eingeführt. Am wichtigsten sei es nun, die Menschen ins digitale Bauwesen mitzunehmen. Ziel sei ein partnerschaftliches Bauen mit der Integration der Lieferketten für Planen und Bauen.

Dr. Katja Maaser, DB Station & Service, berichtete über die Fortschritte von aktuell 460 Projekten, bei denen die BIM-Methodik in der Planung erfolgt sei und die nun zunehmend zur Ausführung gelangen. In jedem BIM-Projekt ist dabei ein BIM-Berater eingebunden. Wichtig wird es nun, die realisierten Projekte in As-Built-Modelle zu überführen, diese in ein FM-System einzubringen und damit die erstrebten Einsparpotentiale im Betrieb zu realisieren.

Martin Baitinger, DB Bahnbau Gruppe GmbH, sprach über die Bauausführung eines Brückenprojekts am Billhorner Deich in Hamburg und positiv darüber, dass die CDE zunehmend für die Projektkommunikation genutzt wird, so dass diese wirklich zu einer gemeinsam genutzten Projektplattform wird, über die Aufgaben, Informationsanfragen und Kommentare ausgetauscht werden. Eine Grundvoraussetzung für diese Form der partnerschaftlichen Projektabwicklung sei der Aufbau von Vertrauen und der gegenseitige Austausch von Erfahrungen.

Aaron Klarmann, DB Engineering & Consulting, sieht als Bauüberwacher den Einsatz von Drohnen als Schlüsseltechnologie für die digitale Bauüberwachung an. So könnten künftig rund 80 % aller händischen Messungen durch eine Befliegung ersetzt werden. Um jedoch ein sicheres Fliegen über kritischer Infrastruktur zu ermöglichen, bedarf es ausgebildeter Drohnenpiloten und die Nutzung von redundanten Systemen beim fliegenden Material. Die gewonnenen Überflugsdaten sind dafür sehr zuverlässig, wie terrestrische Vergleichsmessungen ergeben haben. Die Daten sind bis hinunter zum letzten Pixel georeferenziert.

Konkrete Tipps zur Informationsgewinnung aus Punktwolken gab Jürgen Mayer, Leica Geosystems. Um die anfallenden Datenmengen zu reduzieren, sollten möglichst viele relevante Daten aus der Punktwolke herausgezogen und diese als Objekte definiert werden.

Marius Jablonskis, Technology Manager Norconsult/Autodesk, berichtete von einem Straßenbauprojekt mit Brücken und Tunneln in Norwegen. Dadurch, dass alle Daten zentral abgelegt worden seien, konnten bei diesem Projekt rund 97 % der Konstruktionszeichnungen eingespart, 100.000 Dokumente miteinander verknüpft und letztlich der durch das Bauprojekt verursachte CO2-Ausstoß um 20 % verringert werden.

Das Kooperative Arbeiten steht im Mittelpunkt von BIM. Das wurde auch am zweiten Veranstaltungstag deutlich, als Rudolf Boll, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, den BIM-Stufenplan sowie BIM Deutschland als zentrale öffentliche Anlaufstelle des Bundes rund um BIM vorstellte. Ein Ziel sei zudem die Entwicklung von Masterplänen für den Infrastrukturbau und den Hochbau. Neben dem Aufbau eines BIM-Portals sollen künftig auch automatisierte Prüfwerkzeuge zur Verfügung gestellt werden.

Die gebündelten Anstrengungen für den digitalen ­Transformationsprozess des Planens und Bauens in Hamburg stellte Felix Scholz, Programmmanager BIM.Hamburg, vor. Vier Handlungs­felder sehen die Bau­ver­wal­tun­gen und Realisierungsträger (Hamburg Port Auto­rity, Hochbahn, HafenCity University, Geoinformation Vermessung [LGV], Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer [LSBG], Behörde für Stadt­entwicklung und Wohnen [ABH]), die sich unter der Bezeichnung BIM Hamburg zusammengeschlossen haben:

Prozesse – definierte Prozesse, die anhand von konkreten Anwendungsfällen erarbeitet werden,

Richtlinien – Grundlagen und spezifische Anforderungen an die Zusammenarbeit und an Datenmodelle mit AIA (BIM-Leitfaden),

Technologien – Projektplattform CDE (verschiedene Produkte), Modellierungssoftware, Modellchecking-Soft­ware,

Menschen – BIM-Qualifizierungen, BIM-Zertifizierungen, BIM-Traineeprogramm.

An der Umsetzung arbeiten die BIM-Manager der Leitstellen gemeinsam und behördenübergreifend mit BIM-Stan­dards für Hamburg (www.bim.hamburg.de). BIM bedeutet kooperative Zusammenarbeit – und die fängt bei jedem von uns an! Ein besseres Fazit für die Konferenz kann nicht gezogen werden.

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