Landkreis Hof übernimmt deutschlandweite Vorreiterrolle
Im Rahmen des iECO-Projekts des GAIA-X-Förderwettbewerbs soll eine digitale Struktur erprobt und realisiert werden, die alle beteiligten Partner in einer sicheren Datenumgebung zusammenbringt, um im Bauantragsverfahren schnellere und flexiblere Genehmigungs- und Prüfprozesse zu ermöglichen.
Intelligent Empowerment of Construction Industry oder kurz iECO ist eines der ersten Leuchtturmprojekte des bundesdeutschen GAIA-X-Förderwettbewerbs. Die zwischenzeitlich elf Konsortialpartner befinden sich bereits in den Startlöchern und entwickeln gemeinsam einen Digitalen Zwilling eines Gebäudes, der sämtliche Planungs-, Bau- und anschließende Nutzungsprozesse innerhalb eines Ökosystems auf der vom Bundeswirtschaftsministerium bereitgestellten GAIA-X-Infrastruktur abbilden soll.
iECO-Förderprojekt für die Zusammenarbeit am Bau: Ziel des Landkreises Hof ist es, eine beispielhafte Struktur zu schaffen, die auf in Deutschland etablierten Datenaustauschformaten wie etwa XPlanung und XBau basiert.
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Die Einbindung der öffentlichen Hand über den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie umfasst die Genehmigungsseite, vertreten durch den Landkreis Hof als assoziierter Partner und die Landesgewerbeanstalt Bayern als Vollpartner, die für die Seite der Prüfung der Standsicherheit von Gebäuden steht. Die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hof bringt als Partner der Forschung Know-how im Bereich Datennutzung, rechtskonforme Digitalisierung und Datenschutz ein. Der Landkreis Hof ist einer von insgesamt zehn Landkreisen in Bayern, die derzeit im Rahmen der bayerischen Digitalen Bauantragsverordnung als Piloten berechtigt sind, Bauanträge digital anzunehmen und auch zu prüfen. Im Zuge des bundesweiten iECO-Förderprojekts möchte das Hofer Land ein Modell für die gesamte Bundesrepublik erproben und realisieren und damit bundesweit einen regelrechten Digitalisierungsschub im Baubereich generieren.
Partner in einer sicheren Datenumgebung zusammenbringen
„Unser Ziel ist es, eine beispielhafte Struktur zu schaffen, die auf in Deutschland etablierten Datenaustauschformaten – wie etwa XPlanung und XBau – basiert, diese Möglichkeiten weiter unter die Lupe nimmt und entsprechend ausbaut“, erklärt Dr.-Ing. Marcus Achenbach von der Landesgewerbeanstalt Bayern.
Innerhalb der Bundesrepublik sind sämtliche Aspekte der Bausicherheit, so auch die Genehmigungs- und Prüfverfahren, allesamt Ländersache. Da es keine allgemeinen Vorgaben für die IT-basierte Abwicklung gibt, sind nicht nur die Softwareprogramme unterschiedlich, die in den Bundesländern eingesetzt werden. Auch die Stände sind es. Während Bayern zu den bundesweiten Vorreitern zählt, gibt es Bundesländer, die noch keinerlei Erfahrungen mit digitalen Prüf- und Genehmigungsverfahren im Bauwesen vorweisen können. Genau hier setzt das iECO-Förderprojekt an.
Ein Grund, weshalb sich das digitale Planen und Bauen mit BIM-Modellen im Hochbau teilweise noch nicht durchsetzen kann, ist die fehlende Einbindung der Öffentlichen Hand in Prozesse und Datenräume. Als Grundlage der Sicherheit von Gebäuden und zur Berücksichtigung von Umweltbelangen sind sie jedoch unverzichtbar. Und diese Genehmigungs- und Prüfprozesse sind aufwändig und erfordern Abstimmungen mit zahlreichen Beteiligten. Die Digitalisierung in einem neuen, virtuellen Ökosystem soll sämtliche Parteien in einer sicheren Datenumgebung zusammenbringen und auf diese Weise schnellere und auch flexiblere Prozesse möglich machen.
Übergreifendes Vertrauen für digitale Prozesse schaffen
Aktuell werden die Dokumente beim Landkreis Hof verordnungskonform als PDF-Files eingereicht und digital freigegeben. Momentan gibt es noch keine gemeinsame Projektumgebung, die die gesamte Kette – von der Planung über die Prüfung und Genehmigung bis hin zur Nutzung mit sämtlichen Änderungsprozessen – umfassend abbildet. Diese soll im Rahmen des GAIA-X-Förderprojekts geschaffen werden und damit den Weg für die Arbeit mit BIM-Modellen ebnen, für die derzeit noch keinerlei einheitliche Regelungen existieren.
„Die Basis bildet eine sichere Datenübertragung“, ergänzt Achenbach. „Denn nur damit ist ein vertrauensvoller Datenaustausch möglich. Das bedeutet, jeder am Projekt Beteiligte muss selbst entscheiden können, wie weit seine Daten in das gemeinsame Projekt eingebunden werden. Nur so kann ein übergreifendes Vertrauen für digitale Prozesse geschaffen werden.“ Prof. Dr. jur. Beatrix Weber von der Hochschule Hof fügt hinzu: „Entscheidend ist vor allem auch ein niederschwelliger Zugang für kleinere und mittelständische Betriebe. Das bedeutet, wir müssen Musterprozesse schaffen und mit offenen Schnittstellen arbeiten, denn insbesondere Handwerksbetriebe haben oft weder das Personal noch die Software, um ohne fremde Hilfe an den neuen Workflows teilhaben zu können.“
Digitale Prozesse mit höchsten Sicherheits- und Qualitätsstandards
Beide Experten unterstreichen, dass es selbstverständlich keine Änderungen hinsichtlich der Qualität und Sicherheit der Genehmigungs- und Prüfverfahren geben wird. Eher das Gegenteil wird eintreten. Denn die digitalen Prozesse, die nicht ausschließlich auf Plan-, sondern auf echten Baudaten basieren sollen, erleichtern den Parteien in späteren Phasen den Zugriff auf die vorausgegangenen Informationen – etwa bei der Umnutzung eines Bauwerks.
Computer Spezial (CS) fragt nach...
CS: Wurden digitale Prüfverfahren bisher schon mal umgesetzt? Und wenn ja, worauf haben sich diese Verfahren bezogen?
Wolfgang Müller, Projektleiter iECO: In Hamburg existieren bereits digitale Prüfverfahren. Diese basieren auf XPlanung und beschränken sich bisher auf Planfeststellungsverfahren. Im Gegensatz zu klassischen Hochbauprojekten bleibt die Anzahl der beteiligten Auftraggeber und Auftragnehmer bei dieser Art Verfahren im Infrastrukturbau gewöhnlich überschaubar.
CS: Ab welchem Zeitpunkt kann mit einer allgemeinen Umsetzung im Planungs-/Bauablauf gerechnet werden?
Wolfgang Müller: Aufgrund der in der Regel geringeren Anzahl an Beteiligten werden die neuen digitale Genehmigungs- und Prüfverfahren zunächst bei Leuchtturmprojekten im Umfeld des Infrastrukturbaus mit unterschiedlicher Tiefe der Digitalisierung zur Anwendung kommen. Nach und nach soll das iECO-Projekt jedoch alle abholen.
CS: Wie könnte eine gemeinsame Projektumgebung praktisch umgesetzt werden? Oder anders gefragt: Wird es für die Umsetzung eine separate Softwarelösung geben oder nur Anforderungen für die diversen Programmanwendungen?
Wolfgang Müller: Im Rahmen des GAIA-X-Förderprojekts werden Protokolle konzipiert, die es jedem kommunalen Rechenzentrum innerhalb Deutschlands erlauben, diese mit der eigenen Software zu öffnen, zu bearbeiten und anschließend wieder mit den Partnern über die Projektumgebung zu teilen. Diese Protokolle regeln die Verpackung der digitalen Informationen und bestimmen auch, für welche Partner die Information einsehbar sein wird. Den Rahmen für die Freigaben schaffen unsere Gesetze sowie Termingesichtspunkte und weitere, projektbestimmende Kriterien. Daraus werden sicherlich viele neue Softwareprodukte resultieren, jedoch genauso auch Anpassungen für bestehende Programme.
CS: Wenn jeder Beteiligte selbst entscheidet, inwieweit er Daten freigibt/einbindet, wie wird bzw. ist sichergestellt, dass alle wichtigen Daten erfasst/verfügbar sind?
Wolfgang Müller: Ziel des iECO-Förderprojekts ist es, Angebote für alle zu schaffen. Bundesweit. Jede Landesbehörde und jede Kommune soll die Möglichkeit haben, Prozesse digital abzuwickeln. Unsere Absicht ist es nicht, dies zu verpflichten. Durch das Teilhabegesetz sowie das gesetzlich festgelegte Teilen von Standards können Öffentliche Einrichtungen bereits existierende, digitale Prozesse schon jetzt zu jeder Zeit selbst anwenden oder diese für die Entwicklung eigener Digitalisierungsstrategien nutzen. Als Basis dienen die oben beschriebenen Protokolle, die bundesweit zur Verfügung gestellt werden.