Qualifiziertes digitales Aufmaß bringt Vorteile
Moderne Planungs-Tools sind heute in der Lage, die verschiedenen Fachplanungen von TGA oder Statik mit der Architekturplanung des entwerfenden Büros abzugleichen und auf Basis vielfältiger Parameter kritische Fehlerpunkte ausfindig zu machen. Wie verhält es sich jedoch, wenn die Basis der Bestand ist? Wie lassen sich exakte Dimensionen, Maße, Höhen, konstruktive oder statische Abhängigkeiten von der Umgebungsbebauung oder der Topographie rund um das Bauwerk ermitteln? Hier kommen für die digitale Erfassung mittels Punktwolkensystem neue Möglichkeiten in Betracht.
Gestaltung einer Außenanlage für einen Neubau mit Poolbereich und Poolhaus. Scan des Bestandsgebäudes, der umgebenden Bebauung und der Vegetation für eine Sonnenstandstudie.
Bild: Architekturbüro Steffen Wurster, Bolanden
Ein detailliertes Aufmaß des Bestands ist die einzige Möglichkeit, alle relevanten und vorhandenen Raum-Informationen zu bündeln und anschließend in Bestandsplänen auszugeben. Das geschieht bekanntlich nur noch selten analog, digitale, laserbasierte Aufmaße sind heute Stand der Technik. Kleinaufmaße werden dennoch per Handaufmaß realisiert, wenngleich oft unterstützt von einem Laser mit Abstandsmessung, Bandmaß und digitaler Schlauchwaage – die aber nie die Präzision eines punktwolkenbasierten Laserscans erreichen. Lange war das qualifizierte Aufmaß die alleinige Domäne spezialisierter Ingenieure in den Vermessungsbüros. Das ändert sich jedoch seit ein paar Jahren. Denn Laserscanner sind erschwinglich geworden. Je nach Ausstattung und Hersteller sind ab etwa 16.000 € Geräte erhältlich, die bereits mit Profiqualität aufwarten. Für Büros, die ständig im Sanierungsbereich planen, kann sich die Anschaffung eines solchen Scanners schnell amortisieren. Zum Gerät hinzu kommt eine spezielle Software, die die Aufmaßdaten, die Punktwolken, referenziert und für die anschließende Übergabe ins BIM-Planungsprogramm vorbereitet. Diese Software kann aber angemietet werden und belastet das eigene Budget dann nur für das jeweilige Projekt und über einen überschaubaren Zeitraum. Darüber hinaus lassen sich bei verschiedenen Dienstleistern in der ganzen Bundesrepublik Laserscanner tageweise mieten, das hält die Kosten ebenfalls überschaubar.
Ein detaillierter Scan des Bestandsgeländes dient bei diesem Neubauprojekt am Hang als wichtige Grundlage, um das in „Archicad“ erzeugte Gebäudemodell passgenau einzubetten
Bild: Raum + Zeit, Mainz
Laserscanner: Welche Systeme gibt es? Und besser mieten statt kaufen?
Alexander Maier, Inhaber des Architekturbüros Zeit + Raum aus Mainz, ist einer der Dienstleister, die Laserscanner vermieten und verkaufen. Für ihn ist vor allem die Vermietung digitaler Scan-Systeme zu einem weiteren Standbein im eigenen Büro geworden. Er unterscheidet die verschiedenen Systeme und Aufgabenbereiche dabei grundsätzlich: „Wir arbeiten durchweg mit Punktwolken-Laserscansystemen. Hier unterscheiden wir zwischen Kleingeräten, mit denen man schnell einen Raum durchläuft und aufmisst, z. B. mit dem ,Leica BLK Go‘. Außerdem bieten wir Laser-Scanner auf dem Stativ an. Ein gutes Einstiegsmodell ist hier z. B. der ,Leica BLK 360‘. Hinzu kommen Geräte vom Hersteller Faro. Beim Leica Modell liegt man aktuell bei ca. 16.000 € in der Anschaffung, bei Geräten von Faro bei ungefähr 35.000 €.“
Das Aufmaß lässt sich direkt im aufgemessenen Gebäude, z. B. auf einem Tablet-PC, ansehen. Damit wird u.a. schnell deutlich, ob und wo noch Aufmaßpunkte fehlen und nachzuarbeiten sind.
Bild: Raum + Zeit, Mainz
Neben den mobilen oder stationären Laserscan-Systemen gibt es Flugdrohnen mit integriertem LiDAR-Scanner. Bei ihnen wird aus der Drohne heraus vom überflogenen Gelände eine Punktwolke erstellt, die vor allem für das Außenaufmaß eines Gebäudes, die Gebäudehülle oder einen Scan der Umgebungsbebauung sinnvoll ist. Damit lässt sich im Nachgang bspw. überprüfen, wie gut ein Gebäudeentwurf in die Bestandsbebauung integriert ist oder sich im Gelände einfügt. Je nach Modell erzeugen die Laser-Scanner über die Punktwolke hinaus ergänzende 360°-Fotos, die sich für die umfangreiche Dokumentation eines Projekts nutzen lassen.
Vom Gebäudeaufmaß zum Bestandsmodell in sieben Schritten
Soweit die Theorie. Doch wie sieht die konkrete Umsetzung aus, wenn von einem Bestandsgebäude ein detailliertes 3D-Bestandsmodell entstehen soll? Im Wesentlichen sind es sieben Schritte, die hier zu durchlaufen sind, erklärt Architekt und Vermessungsexperte Alexander Maier:
1. Der Laserscan mit 360° Fotos vor Ort, am Projekt. Ein Scan dauert dabei pro Laser-Standort 3 bis 4 Minuten. Beim Aufmaß sind stets verschiedene Standorte im und am Gebäude zu wählen. Die hierbei entstehenden Punktwolken werden in einem späteren Schritt referenziert und einander zugeordnet.
2. Die Übertragung der Scandaten aus dem Scanner oder vom Tablet auf den Büro-Computer. Je nach Datenmenge dauert dieser moderate 15 Minuten oder länger.
3. Die Aufbereitung der Scan-Rohdaten in einer Registrierungssoftware. Hier werden die einzelnen Scanner-Standpunkte automatisch berechnet, zusammengeführt und überprüft.
4. Das Erzeugen einer offenen e57-Datei und deren Export in die BIM-Software, so z. B. in die Planungssoftware „Archicad“.
5. Das Einlesen und Positionieren der e57-Datei in der Software.
6. Die Nachmodellierung der Punktwolke in der Planungssoftware und der Aufbau als bauteilorientiertes BIM-Gebäudemodell.
7. Die Nutzung des Gebäudemodells für die weitere Planung (Umbau, Revitalisierung, Erweiterung) bzw. die direkte Übergabe in das CAFM-System als Grundlage für den nachfolgenden Gebäudebetrieb.
Ständige Revision – oder: Es war. Es soll. Es ist.
Das Ziel eines laserbasierten Bestandsaufmaßes ist also die Überführung eines Bauwerks in ein bauteilbasiertes Gebäudemodell – als qualitätsvolle Basis für jede weitere Projektplanung. Eine möglichst exakte Planungsbasis zu haben, war immer der Wunsch von Architekten und Ingenieuren und unterscheidet das simple Handaufmaß nicht grundsätzlich vom lasergestützten Aufmaß. Neu ist aber die Qualität der Laser-Messergebnisse auf der einen und die Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten eines 3D-Bestandsmodells auf der anderen Seite. So kann das Bestandsmodell für alle weiterführenden Planungen, den Gebäudebetrieb und eine umfassende Bestands-Dokumentation genutzt werden, ebenso wie für die exakte Verortung von technischen Einbauten oder eine kontinuierliche Revision des „Es war“-, des „Soll“- und des „Ist“-Standes über den gesamten Projektverlauf hinweg.
Ein Umgebungsscan der benachbarten Bebauung zeigt eindrucksvoll, wie sich ein Neubauprojekt in das Umfeld einfügen kann. Wichtige Entwurfsentscheidungen beim Bauherrn und den Planenden werden so deutlich einfacher.
Bild: Raum + Zeit, Mainz
Ein Büro, das seit mehreren Jahren immer wieder Laserscan-Systeme bei Zeit + Raum leiht, ist das Architekturbüro Steffen Wurster aus Bolanden in Rheinland-Pfalz. Steffen Wurster sieht vor allem die Genauigkeit des Aufmaßes und die einfache sowie stetige Überprüfung zwischen dem Entwurfs- und Bestandsmodell als die größten Vorteile für seine Arbeit. Vor allem für größere Projekte bietet es sich an, in wichtigen Projektphasen (also z. B. nach Abschluss der Rohbauarbeiten) weitere Zwischenaufmaße vorzunehmen. Konsequent fortgeführt bis in die Ausbaugewerke hinein, erhalten die Planenden ein Aufmaß, das aus vielen Ebenen bestehend die gebaute Situation perfekt abbildet. Dennoch darf das nicht als As-built-Modell verstanden werden. Vielmehr sind hier verschiedene Punktwolken übereinandergeschichtet, die sich jeweils zu- und abschalten lassen. Das Facility Management kann so im nachfolgenden Gebäudebetrieb mithilfe einer AR-Anwendung „hinter die Wandverkleidung schauen“ und technische Gebäudeausrüstung, Schächte oder ummantelte Konstruktionselemente wie verdeckte Pfeiler, Stützen und Unterzüge virtuell sichtbar machen.
Hinzu kommt, dass das punktwolkenbasierte und lasergestützte Aufmaß schlichtweg alles erfasst. Anders als beim händischen Aufmaß, wo schnell ein Bezugsmaß oder eine Höhe vergessen ist, besucht man hier nur einmal die Baustelle oder das weiterhin vom Auftraggeber genutzte Gebäude. Ebenso lassen sich im Nachhinein verschiedene Schnitthöhen definieren, die es z. B. ermöglichen, feste Einbauten im Raum auszublenden und nur die Umgebungswände eines Raumes abzubilden – in dem die Schnittlinie oberhalb des Tür- oder Fenstersturzes geführt wird. Das 360°-Aufmaß eines Scanners bietet darüber hinaus weitere Möglichkeiten, die umfangreichen Punktwolken-Daten umfassend auch nach der Entwurfsphase zu nutzen.
Neubau eines Einfamilienhauses in Bolanden. Im Bild der Scan der umgebenden Bebauung und Vegetation mit Gebäudemodell.
Bild: Architekturbüro Steffen Wurster, Bolanden
Die unheimlich große Punktwolke
Noch immer hält sich hartnäckig in der Branche, dass Punktwolken großer Gebäude enorme Rechen- und vor allem Arbeitsspeicher benötigen und damit fast jeden Computer „crashen“. Eine Gesamtpunktwolke kann gut und gerne mehrere hundert Gigabyte groß sein und ist damit technisch nicht zu händeln. Moderne Aufmaßsysteme unterstützen jedoch kompakte Einzelpunktwolken, die später mithilfe von Software zusammengefügt werden. Der Vorteil dieser Arbeitsweise: Die deutlich kleineren Punktwolken lassen sich für die Modellierung einzeln zu- bzw. abschalten. Die BIM-Software „Archicad“, mit der auch das Architekturbüro Wurster arbeitet, bietet dieses Feature ebenfalls und ermöglicht so die flüssige Weiterbearbeitung am Computer.
Weiterhin die Bauherren sensibilisieren
Für die Bauherrenschaft, das stellen sowohl Alexander Maier wie Steffen Wurster heraus, bietet das Bestandsaufmaß und ein den Baufortschritt begleitendes Aufmaß vor allem für den Gebäudebetrieb enorme Vorteile. Doch ist hier weitere Aufklärungsarbeit nötig, weiß Wurster: „Der Nutzen des Bestandsaufmaßes und des Gebäudemodells steht beim Bauherrn bisher nicht im Vordergrund. Sicher wird sich das in den kommenden Jahren ändern.“