BIM-Gesamtkoordination mit digitalen Vermessungswerkzeugen
BIM-Koordination und Qualitätsmanagement sind in der Planung und Bauphase wichtige Faktoren, um Projekte kosten- und termingerecht abzuschließen. Das Stuttgarter Architektur-Unternehmen SIIN zeigt, wie das möglich wird – und wie wichtig ein baubegleitendes digitales Bauaufmaß ist.
Damit das Zusammenspiel von BIM und Qualitätsmanagement gelingen kann, gibt es verschiedene digitale Werkzeuge, die vor allem während der Bauphase unterstützen. SIIN hat den Nutzen digitaler Werkzeuge erkannt und setzt im Qualitätsmanagement u. a. auf einen tragbaren 3D-Scanner, mit dem die Architekt:innen in regelmäßigen Abständen ihre Baustellen begehen, die tagesaktuellen Scandaten mit ihrem Planungsmodell abgleichen und Ausführungsfehler so schnell erkennen können.
3D-Aufmaß im Sanierungsbereich
Ein digitales Bauaufmaß eines Sanierungsprojekts ist die Basis, um eine detaillierte Arbeitsgrundlage für eine Neuplanung zu erlangen. Die raumbezogenen Punktwolken, die beim Scan des Bestandes entstehen, werden hierfür vereinfacht gesagt im BIM-Planungsprogramm des Architekturbüros eingelesen und sind die realen Bezugspunkte für eine parallel dazu entstehende digitale, bauteilbezogene 3D-Planung. In der BIM-Planungssoftware „Archicad“, mit der SIIN arbeitet, aber ebenso in anderen Programmen, lassen sie sich die als sogenannte E57-Dateien einbinden und für alle Folgeschritte im Projekt nutzen.
Neben dem Architekturmodell können am am Projektbeispiel „Waldcampus Aalen“ ebenso andere Teilmodelle in den 3D-Scan eingebunden und überprüft werden. Hier wurde die Punktwolke mit dem Teilmodell Heizung, Lüftung, Sanitär überlagert.
Bild: SIIN GmbH, Stuttgart
Baufortschritt mit Scans erfassen
Ebenso im Neubausektor – hier gewinnt der Einsatz digitaler 3D-Vermessungswerkzeuge ebenfalls an Relevanz. Für BIM-Dienstleister und spezialisierte Architekturbüros kommen sie beispielsweise im Bereich der BIM-Gesamtkoordination, der Baufortschrittsüberwachung und im Qualitätsmanagement zum Einsatz. Die Bandbreite der technischen Lösungen wächst dabei buchstäblich von Tag zu Tag. Für einige Großbaustellen sind bereits autark arbeitende Roboter-„Helfer“ (z. B. „Spot“, eine Art Roboterhund) im Einsatz. Auf den Akkupack-betriebenen mobilen Systemen wie SIIN sie nutzen sind 3D-Scanner montiert, die in regelmäßigen Abständen den Baufortschritt auf der Baustelle erfassen und dokumentieren.
Autarke Roboter sind erst seit wenigen Jahren und testweise bei internationalen Projekten im Einsatz. Möglicherweise sind sie ein Meilenstein bei der Automatisierung bauprozessbegleitender Digitalisierung, aber eben nicht die einzigen Systeme im Baustellen-Alltag. Mehrere erfolgreiche Start-Ups widmen sich darüber hinaus dem Bereich 3D-Scan sowie der Verarbeitung von gewonnenen Informationen in der Planung und Bauausführung.
Projektbeispiel
Sirri El Jundi, Gesellschafter des Stuttgarter Architektur-Unternehmens SIIN, setzt in den Projekten der unter SIIN firmierenden Marken JSB, bm^a und Paratect auf einen „Navvis-VLX-Scanner“. Anders als autarke akkubetriebene Systeme, die nach 90 bis 120 Minuten wieder an die Ladestation müssen, tragen die Kolleg:innen einen 3D-Scanner als eine Art Rucksack problemlos den ganzen Tag auf den Schultern und können ihn bei längerem Betrieb mit Wechselakkus bestücken. Auf ihren Rundgängen über die Baustelle und später in der Ausbauphase sammeln sie umfangreiche Scandaten, die den tagesaktuellen „Ist“-Zustand vor Ort dokumentieren. Sirri El Jundis Kollege Michael Holder, verantwortlich für die BIM-Gesamtkoordination und die VLX-Aufmaß-Implementierung, erläutert den Sinn der baubegleitenden Scans: „Wir haben über Jahre hinweg aufbereitete Standarddaten von Vermessern bekommen. Zum Teil kamen auch schon Punktwolken von ihnen. Allerdings enthielten diese Daten nicht alle für die umfassende BIM-Koordination notwendigen Informationen in der passenden Qualität.“ Sirri El Jundi ergänzt: „Wir hatten nie das Ziel, unsere Aufmaße selbst zu machen. Wenn wir allerdings sehr früh in einem Projekt verankert sind, möchten wir mögliche Problempunkte rechtzeitig erkennen. Dazu dient das baubegleitende Aufmaß: Zu sehen, wie der Soll- und der Ist-Abgleich tatsächlich aussehen. Gepaart mit den Fachmodellen, ist dies nun ein Teil des Leistungsspektrum bei SIIN geworden.“
Blick auf einen bereits fertiggestellten Rohbau. Zur Prüfung auf Abweichungen zwischen Planung und Ausführung wurde die Punktwolke in das bestehende Koordinationsmodell integriert.
Bild: SIIN GmbH, Stuttgart
Ist der Baustelleneinsatz beendet, geht es zurück ins Büro. Dort werden die gescannten Punktwolken-Daten in die Cloudanwendung des Scannerherstellers hochgeladen und als übergreifend lesbare E57-Datei aufbereitet. E57 ist ein offenes Dateiformat zum Speichern und Austausch von Daten gescannter 3D-Objekte. Das Besondere an diesem Arbeitsschritt ist die Intelligenz der Scanner-Software: Sie erkennt, welche Punkte zueinander gehören (SLAM-Technologie), „matcht“ diese (also gleicht sie ab) und verortet sie korrekt im virtuellen Raum. Ebenso werden hier die Kontrollpunkte geprüft und mehrere Teilpunktwolken erstellt. Dies ist wesentlich für die spätere exakte Verortung der Scandaten im BIM-Planungsmodell. Darüber hinaus lassen sich damit die Datenmengen für die lokale Verarbeitung in „Archicad“ oder anderem Planungsprogrammen kompakt halten. Denn als Gesamtpunktwolke kann ein Scan über Hundert Gigabyte groß sein, eine Informationsmenge, die jede Workstation schon beim Einspielen der Daten lahmlegt.
Planung und Realität im Vergleich
Nach dem Einlesen der Daten werden die Abweichungen zwischen Planung und Bauausführung optisch sichtbar. An den Stellen, wo es Unterschiede gibt, lassen sich die Bauteile einfärben und visuell bewerten: Ist eine Nacharbeit notwendig? Und wie groß sind die Varianzen zwischen Planung und gebauter Realität? Die von der Planung abweichenden Punkte leiten die BIM-Koordinator:innen von SIIN an die baubeteiligten Unternehmen als BCF-Bericht (eine offene BCF-Datei mit Modellausschnitt und Kommentaren) zur Information, Stellungnahme bzw. Korrektur auf der Baustelle weiter. Sirri El Jundi: „Richtig wertvoll wird das für die Schlitz- und Durchbruchsplanung, die in jedem Projekt aufwendig wie fehlerbehaftet ist. Wir gehen mit unserem VLX-Scanner durch den Rohbau und gleichen die Ausführung vor Ort ab. Das ist ein echter Mehrwert gegenüber früher!“
Gewerke profitieren
Die Bestands-Aufmaßdaten bieten für die Folge- und Ausbaugewerke ebenfalls großen Nutzen, sodass hier meist kein separates Vorort-Aufmaß mehr notwendig ist. Die Baubeteiligten können die Daten über einen browsergestützten Viewer auslesen. Und nicht zuletzt dienen die Daten einer umfangreichen Bauwerksdokumentation.