Wie die Köhlbrandbrücke in Hamburg trotz ihres Alters mit BIM-Daten in Betrieb gehalten wird
Bei älteren Brückenbauten stellt sich oft die Frage, wie diese in Abhängigkeit ihrer Nutzung überprüft und die Instandhaltung entsprechend dem Wartungsbedarf durchgeführt werden können. Eine Antwort auf diese Frage zeigt z. B. die Hamburger Köhlbrandbrücke auf. Hier wurden IoT-Sensoren ergänzt, deren Daten u. a. in einem digitalen Zwilling ausgewertet werden. Zur Umsetzung der Lösung sind Open-BIM-Programme zum Einsatz gekommen. Im Ergebnis ist eine stetige Echtzeitüberwachung möglich, die einen kosteneffizienten und sicheren Betrieb des Objekts kennzeichnet.
Die 1974 erbaute Köhlbrandbrücke ist die zweitlängste Straßenbrücke Deutschlands. Sie wird täglich von rund 36.000 Fahrzeugen befahren und spielt damit eine wichtige Rolle für die lokale Wirtschaft und Infrastruktur, heißt es von der Hamburger Port Authority (HPA). „Die HPA als der Betreiber der Brücke suchte nach einer Möglichkeit, die Brücke effektiver zu warten und zu betreiben. Nachdem wir das Potenzial digitaler Zwillinge erkannt haben, wurde 2019 das Projekt ‚smartBRIDGE Hamburg‘ initiiert“, sagt Jens Meier, CEO der HPA. Mithilfe von Open-BIM, ICF-Datenaustauschformaten, dem „BIM Collaboration Format“ (BCF) sowie den Nemetschek Programmen „Allplan“ und „Solibri“ wurde dann ein Projekt initiiert, welches die kontinuierliche Überwachung der Schrägseilbrücke ermöglichen sollte.
Ein gemeinsames BIM-Projekt
Aufgrund des Alters der Brücke und des täglichen Verkehrsaufkommens ist eine kontinuierliche Überwachung in Echtzeit nach Ansicht der Hamburger Hafenbehörde der präferierte Weg, um Reparaturarbeiten zu erkennen und eine Behinderung des Verkehrs zu minimieren. Da kein BIM-Modell vorhanden war, musste dieses komplett entworfen werden. Hierfür wurden mehrere BIMAnwendungen, darunter „Allplan“, eingesetzt, mit dem ein detailliertes Modell der Brücke erstellt werden konnte.
Obwohl es sich um ein Bestandsbauwerk handelte, erforderte der Entwurfsprozess dennoch einen „BIM Execution Plan“ (BEP) und eine Einigung zwischen allen Beteiligten über die Anforderungen an die Elementtaxonomie und den „Level of Detail“ (LOD). „Durch den Einsatz von Open-BIM wurde die Verwaltung und der Austausch von Daten zwischen verschiedenen Beteiligten und Anwendungen effizient“, erklärt Detlef Schneider, CEO von Allplan.
Bei einem Projekt wie diesem, bei dem mehrere Lösungen zusammenkommen, ist die Sicherstellung der Konsistenz und Einhaltung der BIM-Anforderungen notwendig. Die HPA musste nach eigenen Angaben gewährleisten, dass das Modell korrekt erstellt wurde, bevor der digitale Zwilling genutzt werden konnte. Die Überprüfung der BIM-Koordination übernahm die Software „Solibri“. „Die Modellprüfungslösung ‚Solibri‘ hat sichergestellt, dass die Modelle den Anforderungen des BEP und anderer Qualitätsstandards entsprachen“, sagt Ville Kyytsönen, CEO von Solibri.
Technologie für kritische Infrastruktur
Mit der Datenbasis für ihren digitalen Zwilling konnte die Hamburger Hafenbehörde Internet-of-Things (IoT)-Sensordaten und gesammelte Brückeninspektions-/Wartungsdaten in ihr Brückenmodell integrieren. Mehr als 500 IoT-Sensoren wurden im Brückenmodell verbunden. Dies ermöglicht die von der HPA geforderte Echtzeitüberwachung, bei der automatisch Warnungen ausgegeben werden, wenn Probleme oder Mängel entstehen. Die Datensätze stehen mit dem Asset-Management-System der Brücke in Verbindung, sodass die vorausschauende Wartung geplant und durchgeführt werden kann.
„Es ist oft schwierig, Projekte zu finden, in denen digitale Zwillinge tatsächlich vollständig so umgesetzt werden, wie anfangs geplant. Das Projekt ‚smartBRIDGE Hamburg‘ zeigt die praktische Anwendung eines digitalen Zwillings in einem realen Kontext und demonstriert, wie wertvoll diese Technologie insbesondere für kritische Infrastrukturen sein kann“, erläutert César Flores-Rodríguez, Chief Division Officer Operate & Manage und Digital Twin. „Mit unserem Portfolio an Open-BIM-Lösungen kann die Nemetschek Group diese Technologie über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes oder Infrastruktur hinweg unterstützen.“
Vorausschauende Planung
Neben der kontinuierlichen Überwachung der Brückenkonstruktion ermöglicht der digitale Zwilling auch die Durchführung verschiedener Simulationen. Auf diese Weise kann die HPA, wenn sie ein Problem erkannt hat, verschiedene Lösungen und Szenarien testen und die Ergebnisse vor der Umsetzung bewerten. Für die Köhlbrandbrücke seien diese Erkenntnisse von entscheidender Bedeutung für die Gewährleistung der Sicherheit und die Minimierung von Unterbrechungen des Straßenverkehrs. Nach Bekunden der Nemetschek Gruppe wird der digitale Zwilling zukünftig eine bedeutende Rolle beim datengesteuerten Betrieb und der Instandhaltung der Brücke spielen.