Auf dem Weg zum ersten deutschen Quantencomputer

Gemeinsam mit 24 deutschen Forschungseinrichtungen und Unternehmen sowie unter Koordination des Forschungszentrums Jülich arbeitet das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme (IPMS) an einem vollständigem, deutschen Quantencomputer basierend auf supraleitenden Quantenchips und mit verringerten Fehlerraten. Zur Hälfte der Projektlaufzeit kann nun der erste Demonstrator in Betrieb genommen werden. Das Center Nanelectronic Technologies (CNT) des Fraunhofer IPMS steuert seine Expertise aus der hochmodernen, industriekompatiblen CMOS-Halbleiterfertigung bei.

Kryogener Aufbau und Ansteuerung eines supraleitenden Quantencomputers am FZ Jülich.
Bild: Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau

Kryogener Aufbau und Ansteuerung eines supraleitenden Quantencomputers am FZ Jülich.
Bild: Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau
Die Fehleranfälligkeit der Quantenbits, oder kurz Qubits, gilt aktuell als eine der größten Herausforderungen in der Quantencomputer-Entwicklung. Ziel der Partner ist es, ein System mit verschiedenen Quantenprozessoren zu entwickeln, das auf supraleitenden Schaltkreisen der nächsten Generation basiert und eine sehr geringe Fehlerrate aufweist. Damit erreichen die Qubits eine höhere Qualität. Der Ansatz gilt als weltweit führend und wird auch von Google, IBM und Intel verfolgt. Als Gesamtmeilenstein wird am Forschungszentrum Jülich in Kürze ein erster Prototyp des QSolid-Halbzeit-Demonstrators mit 10 Qubits, integriertem Softwarestack und Cloud-Anwenderzugriff in Betrieb gehen und es ermöglichen, Anwendungen sowie Benchmarks für Industriestandards zu testen. Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit einer Gesamtsumme von 76,3 Mio. € unterstützt.

CMOS-Halbleiterfertigung für künftige Quantenprozessoren

Das Fraunhofer IPMS ist Teil des Arbeitspaketes „Technology for Hardware-Intergration“. Gemeinsam mit GlobalFoundries und dem Fraunhofer IZM-ASSID wird an der Co-Integration einer komplementären bzw. sich ergänzenden Metall-Oxid-Halbleiter (Complementary metal-oxide-semiconductor, CMOS)-Kontrolllogik zusammen mit der Quantum-Processing-Unit (QPU) gearbeitet, um komplexe Verkabelungen und Leitungen im Quantencomputer zu verringern. Denn diese verringern die Leistungsfähigkeit des Prozessors und erschweren damit die Niedrighaltung der Temperatur – insbesondere, wenn sich die Qubit-Zahl in zukünftigen Prozessoren erhöhen wird. Hierzu wird eine Interposer-Technologie entwickelt, die sich auf hochdichte, supraleitende Verbindungen und thermische Entkopplung durch fortschrittliches Packaging konzentriert. Die Herausforderung besteht darin, die CMOS-Chips unter kryogenen Bedingungen weiterhin nutzbar zu machen, jedoch gleichzeitig die Temperatur der Prozessoren für die Qubits niedrig zu halten.

Das CNT nutzt dabei seine Expertise und Infrastruktur in der industriekompatiblen CMOS-Halbleiterfertigung im 300-mm-Waferstandard. Dies betrifft z. B. Herstellungsprozesse wie die Abscheidung und Nanostrukturierung im Wafermaßstab oder auch die kryo-elektrische Charakterisierung. „Gemeinsam mit unseren Partnern in Dresden konnten wir das Design für die Co-Integration von CMOS- und Quantenchips sowie geeignete Materialen für das Temperaturmanagement festlegen. Eine darauf basierende erste Generation Interposer wurde hergestellt und bei kryogenen Bedingungen erfolgreich getestet. Dies umfasst auch den Nachweis der supraleitenden Eigenschaften der verwendeten Materialien wie etwa der Indium-basierten Bumps. Außerdem waren die Tests für die kryogene Charakterisierung der CMOS-Chips von GlobalFoundries erfolgreich“, sagt Marcus Wislicenus, Gruppenleiter für Quantum Technologies am Fraunhofer IPMS.

Quantencomputer-Infrastruktur am Forschungszentrum Jülich

Der 10-Qubit-Prototyp ist nur ein erster Zwischenschritt hin zu einer höheren Skalierung. Zum Projektende im Dezember 2026 soll das System so weiterentwickelt werden, dass es bestenfalls 30 Qubits bei größtmöglicher Fehlerkorrektur kontrollieren kann. „Während wir noch letzte Teilsysteme integrieren und aussteuern, arbeiten wir parallel bereits an der Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Prototyps, der komplexe Rechenoperationen für Anwendungen in der Industrie und Wissenschaft bewältigen soll“, sagt Projektkoordinator Prof. Frank Wilhelm-Mauch.

Um das Ziel eines unabhängigen, in Deutschland hergestellten Quantencomputers zu erreichen, bringt QSolid 25 Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Start-ups aus ganz Deutschland zusammen. Gemeinsam wollen die Projektpartner den Weg zur Kommerzialisierung ebnen und einen Demonstrator entwickeln, der externen Nutzern über die „Jülich UNified Infrastructure for Quantum computing“ (JUNIQ) zugänglich gemacht und auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten werden soll.

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 01/2022 Dreijähriges Forschungsprojekt

Quantencomputing für den täglichen Gebrauch erschließen

Wie sich die Möglichkeiten des Quantencomputings für betriebswirtschaftliche Zwecke nutzbar machen lassen, bspw. um Prozesse zu optimieren oder höchst genaue Prognosen zu erzielen, daran forscht...

mehr