BIM strategisch einführen

Vor welchen Veränderungen Planende bei modellorientiertem Arbeiten stehen

Building Information Modeling (BIM) ist aus u. a. Architektenbüros nicht mehr wegzudenken. Was Unternehmen bei der Einführung beachten müssen, sagt uns Andreas Haffa, Leiter der Fachgruppe Mengen- und Kostenermittlung building­SMART und Head of Development bei der Softtech GmbH. Im Gespräch erklärt er, warum die Faktoren Mensch und Kommunikation wichtig sind.

COMPUTER SPEZIAL (CS): Herr Haffa, die Softwarehersteller behaupten größtenteils, BIM-Planung funktioniere auf Knopfdruck. Warum gibt es in der Praxis dennoch oft Probleme?

Andreas Haffa, Leiter der Fachgruppe Mengen- und Kostenermittlung buildingSMART und Head of Development, Softtech GmbH.
Bild: Softtech / Andreas Haffa

Andreas Haffa, Leiter der Fachgruppe Mengen- und Kostenermittlung buildingSMART und Head of Development, Softtech GmbH.
Bild: Softtech / Andreas Haffa
Andreas Haffa: Ein BIM-Modell enthält für gewöhnlich eine riesige Menge an Parametern. Viele davon sind nicht standardisiert. Das bedeutet, im Datenmodell gibt es keine verlässliche Stelle, an der Auswertungsprogramme bestimmte Informationen zentralisiert finden und abrufen können. Und: Für die spezifischen Auswertungen, die es in der Baupraxis braucht, gibt es keine konkrete Systematik. Eine modellbasierte Mengen- und Kostenermittlung funktioniert jedoch nur, wenn Mengen und Leistungspositionen durchweg zusammenpassen. Deshalb ist die Aufbereitung einer grundlegenden Datenbasis so wichtig. Und die lässt sich nunmal nicht auf Knopfdruck aus dem Hut zaubern.

CS: Was sind die Gründe, warum Unternehmen bei einer BIM-Einführung oft mit so vielen Hindernissen konfrontiert werden?

Andreas Haffa: In meinen Augen stellt die Erwartungshaltung das größte Problem dar. Firmen kaufen eine Software und gehen davon aus, unmittelbar mit der BIM-Methode starten zu können. Die Euphorie endet dann am Ende oft im Tal der Enttäuschung. Projekte sind für gewöhnlich komplex und Mitarbeitende sind nicht automatisch begeistert, ihre Arbeitsweise grundlegend umzudenken, obwohl BIM heutzutage als Trend gilt. Der Faktor Mensch spielt eine Schlüsselrolle, weshalb eine erfolgreiche BIM-Planung immerzu auf einer strategischen Entscheidung fußen sollte und Chefsache ist.

CS: Wie kann so eine Unternehmensstrategie für das erfolgreiche, modellorientierte Arbeiten aussehen? Was müssen Firmen und vor allem die Führungsetage konkret beachten?

Andreas Haffa: Zunächst einmal bedeutet modellorientiertes Arbeiten einen erheblichen Mehraufwand. Dessen sollten sich Führungskräfte bewusst sein. Die bisherige Planungsmethode eines Büros kann sich bei einer modellbasierten Arbeitsweise massiv verändern. Neben zusätzlicher Softwareprogramme und Hardware erfordert ein Umstieg auf BIM immer auch entsprechende personelle Ressourcen. Das müssen nicht unbedingt neue, zusätzliche Mitarbeitende sein. Doch das Personal braucht Schulungen zum Thema und sollte auch bereit sein, die notwendigen Veränderungen mitzugehen.

CS: Haben es größere Firmen i. d. R. leichter?

Andreas Haffa: Egal ob große oder kleine Firmen: Der Weg muss begehbar sein. Das Fundament bildet stets eine Analyse der aktuellen Arbeitsweise in einem Unternehmen. Wie setzt sich mein Team zusammen? Wer erfüllt welche Aufgaben bei CAD, Mengen, Kosten, Ausschreibung oder Kalkulation? Sind die einzelnen Posten eng miteinander verzahnt und verstehen sie die Aufgaben ihrer Kolleginnen und Kollegen?

Es geht zunächst einmal darum, die bestehenden Arbeitsszenarien zu untersuchen sowie Prozesse und Methoden kritisch zu hinterfragen. Es gibt immer Möglichkeiten, etwas besser zu machen. Manuelle Prozesse können auf den ersten Blick sehr schnell und effizient wirken, wenn die Mitarbeitenden entsprechend versiert sind. Trotzdem bergen sie Risiken, wenn z. B. Kosten durch mangelnde Transparenz bei der Vergabe in die Höhe steigen. Anstelle von Papierplänen kann ein BIM-Modell auf einen Blick aufzeigen, welche Elemente zu einer Position im Leistungsverzeichnis (LV) zugehörig sind.

CS: Was können kleinere und mittelständische Betriebe konkret tun, damit es auch bei ihnen funktioniert?

Andreas Haffa: Gerade für kleinere und mittelständische Unternehmen empfiehlt es sich, Mengen zunächst aus PDF-Plänen oder alternativ mit einer speziellen Software aus 2D-Plan­unterlagen abzugreifen und mit den LV-Positionen zu verzahnen. Auf diese Weise sind Büros in der Lage, sich nach und nach mit der neuen Arbeitsweise vertraut zu machen. Auf Basis erster Erfahrungswerte fällt ein Wechsel zum 3D-Modell als Grundlage der Mengenermittlung später leichter. Veränderungsmanagement lässt sich stets einfacher bewerkstelligen, wenn schrittweise vorgegangen wird. Das Ziel sollte dabei klar vor Augen bleiben.

CS: Was zeichnet ein ideales Projekt für den Start mit BIM oder Open-BIM aus?

Andreas Haffa: Unternehmen können z. B. mit einzelnen, dedizierten Gewerken starten und damit die BIM-Planung zunächst auf eine überschaubare Anzahl von Leistungen herunterbrechen. Eine Idee wäre etwa der Rohbau. Doch Vorsicht: Komplexe Baugrubenmodellierungen würde ich jetzt nicht unbedingt für den Start empfehlen.

Geeignete Softwareprogramme ermöglichen es auch, nur einen Teil der Mengen aus dem Modell abzuleiten und so Schritt für Schritt – Gewerk für Gewerk – vorzugehen. Sind bestimmte Bauteile einmal im Datenstamm gesetzt, können sie auf einfache Weise bei künftigen Projekten erneut genutzt werden. Entscheidend ist es, am Ende stets Plausibilitätskontrollen durchzuführen, ob die Ergebnisse so auch stimmen. Das schafft nötiges Vertrauen.

CS: Mit welchen konkreten Veränderungen müssen Planende in ihrem Arbeitsalltag rechnen?

Andreas Haffa: Bei einer modellorientierten Planung rücken Geometrie, Mengen, Qualitäten und Kosten eng zusammen. Das bedeutet, dass das Wissen über Faktoren wie Kosten und Qualität von Beginn an gefragt ist. Informationen zur Bemusterung und ein präziser Kostenrahmen dienen bereits in einer frühen Projektphase als Basis. Somit verschieben sich auch die klassischen, gewohnten Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI)-Phasen. Deshalb ist es so wichtig, dass bspw. Planende und Kalkulierende stets einen engen Dialog pflegen und genau verstanden haben, was die Teamkolleginnen und -kollegen machen. Das gleiche gilt für die Auftraggeberfirmen. Kommunikation ist der Schlüssel.

CS: Welche Art von Hilfe kann Planungsbüros optimal bei der modellbasierten Arbeit unterstützen? Und welche Rolle spielen Fachverbände?

Andreas Haffa: Fachverbände wie bspw. der Bundesverband Software und Digitalisierung im Bauwesen (BVBS) oder buildingSMART stellen eine Vielzahl von Dokumenten und Nachschlagewerken zur Verfügung, die bei einer BIM-Einführung nützlich sein können. Die unterschiedlichen Fachgruppen der Verbände haben es sich zur Aufgabe gemacht, die neuen, für die verschiedenen Beteiligten eines BIM-Projekts variierenden Anforderungen zu analysieren und zu verstehen. Diese sind entscheidend, sodass die Modelle – die Projektpartner im Idealfall über ein Common Data Environment (CDE) miteinander teilen – auch für alle Parteien passen. Nur auf dieser Basis ist es möglich, automatische Auswertungen innerhalb von Softwareprogrammen auf ein funktionsfähiges, praxistaugliches Level zu bringen.

CS: Wenn Planende auf eine gut gepflegte Bauteilbibliothek zurückgreifen können, wie viel schneller sind sie dann durch BIM und welche weiteren Vorteile gibt es?

Andreas Haffa: Das ist individuell tatsächlich sehr unterschiedlich und hängt von vielerlei Faktoren ab. Bei einer guten Vorbereitung ist eine hohe Zeitersparnis sehr wahrscheinlich. Ein großer Vorteil modellbasierter Arbeitsweise ist die Planungsqualität, die damit kontinuierlich verbessert werden kann. Dies betrifft auch eine wachsende Preisdatenbank als Fundament für Kostenkennwerte mit wiederkehrenden Gestaltungselementen. Das Vertrauen in das modellorientierte Arbeiten und die Wissenskurve können mit jedem neuen Projekt steigen. BIM kann also definitiv sehr viel Spaß machen. Die Vorbereitung ist und bleibt dabei das A und O.

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